Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
spähe hinaus in den Hof und sehe Black John, Zidanas Lieblingseunuchen, der sich über die herrliche Oud beugt wie ein Affe über eine stibitzte Frucht. Geschickt bewegt er seine riesigen Finger, während er die Ballade in einen Mollakkord bringt. Das Lied stammt aus Frankreich, glaube ich, und hatte ursprünglich nichts mit dunkelhäutigen Schönheiten oder schwarzen Augen zu tun. Doch wir alle müssen uns mit unseren veränderten Lebensumständen abfinden; entweder passen wir uns an oder wir sterben, und John hat es mit seinen Fähigkeiten nicht schlecht getroffen. Als er die nächste Strophe anstimmt, die davon handelt, wie man als Liebender mit ansehen muss, dass die Geliebte einen anderen heiratet, weil man selbst nichts zu bieten hat – eine Anspielung, die mehr mit Geld als mit mangelnder körperlicher Leistungsfähigkeit zu tun hat –, merke ich, dass mir angesichts der sanften Verse unerklärlicherweise die Tränen in die Augen steigen.
Als ich dieses Lied zum letzten Mal gehört habe, war ich noch ein Diener statt ein Sklave, Assistent eines Arztes, der aus Schottland stammte, sich aber Afrika als Heimat auserkoren hatte. Nach den wenigen Jahren, die ich ihm gehörte, konnte ich in vier Sprachen lesen und schreiben, den Unterschied zwischen Alraune und Ingwerwurzel bestimmen und eine hübsche Melodie auf einer spanischen Gitarre oder der Oud spielen. Ich lernte den Koran und die Gedichte von Rumi auswendig. Mein Herr war zum Islam konvertiert und pflegte im Scherz zu sagen, dass es eine christlichere Religion sei als das Christentum. Ich hatte Herzen von Timbuktu bis Kairo erobert, und von Florenz bis Cádiz. Ich hielt mich für unwiderstehlich. Mein Cousin Ayew hätte gesagt, dass ich ganz schön eingebildet war …
Ach, es tut weh, an Ayew zu denken. Sein Schicksal war noch furchtbarer als meins.
Der Arzt war ein guter Herr, eher ein Lehrer, bis zu seinem grausamen und unerwarteten Ende. Wir waren als Gäste des sogenannten Königs dort in Gao – in Wahrheit ist er nicht mehr als ein ehrgeiziger Häuptling, der die prächtige Stadt aus ihren geplünderten Ruinen wiederauferstehen lassen will. In dieser Zeit erkrankte sein halber Hausstand an einer seltenen Krankheit. Doktor Lewis gelang es, drei Kinder und zwei Frauen des Königs zu retten, dann fing er selbst zu schwitzen und zu zittern an. Schließlich bekam er fürchterliche Halluzinationen. Ich versuchte, ihn aus dem Palast zu schmuggeln, was jedoch misslang. Er starb, und ich wurde ohne den Schutz meines Freundes zum Opfer des undankbaren Königs, der mich zum Sklavenmarkt schaffen ließ, weil er befürchtete, dass auch ich den Keim der Krankheit in mir tragen könnte. Dort wurde ich an ein Ungeheuer verkauft.
Black Johns Lied endet, und die Frauen stoßen zum Zeichen ihrer Anerkennung schrille Schreie aus. Ich löse mich aus den Schatten und betrete den Hof. Naima und Mina sind da, die hübsche Khadija und Fouzia, und da ist auch Fatima, die Schwester des hajib , die ihren kleinen Sohn auf der Hüfte trägt. Wie immer bin ich verblüfft von der Tatsache, dass bei Bruder und Schwester ähnliche Züge so abstoßend bei dem einen und so verführerisch bei der anderen sein können. Fatima hat üppige Brüste und ausladende Hüften, trotz ihrer Schwangerschaften aber immer eine elegante, schmale Taille behalten. Der Mund des hajib ist vulgär und erinnert an eine Schnecke, ihre Lippen dagegen sind weich und voll. Seine schwarzen Augen wirken tot wie die eines Hais, Fatimas strahlen verschmitzt und versprechen alle möglichen Verlockungen im Bett. Als sie mich sieht, weiten sich ihre Augen vor Überraschung, dann wendet sie schnell den Blick ab. Interessant, denke ich und speichere den Blick, um mich später daran erinnern zu können. Ich verneige mich vor Zidana.
»Du bist also noch am Leben, Nus-Nus? Kluges Kerlchen.«
Ich reagiere mit einem scharfen Blick, der ihr bedeutet: Dir habe ich das wohl nicht zu verdanken , doch sie grinst nur noch breiter.
Dann klatscht sie in die Hände: »Geh jetzt, John. Geht alle. Ich muss mit Nus-Nus reden.«
»Ich hoffe, du wusstest die gelungene Reparatur zu schätzen«, sagt sie, als alle weg sind. Als ich nicht antworte, lacht sie. »Es hätte viel schlimmer kommen können, weißt du. Das andere Buch, das ich fast in diesen schönen Einband eingefügt hätte, hatte Bilder . Überaus lehrreiche und phantasievolle Bilder.« Sie hielt inne. »Wollte er, dass du ihm daraus vorliest?«
Ich nickte, innerlich
Weitere Kostenlose Bücher