Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
hat offensichtlich durch die Gitterstäbe nach ihm geschlagen. Zidan kreischt vor Lachen und rennt mit seinem kleinen Bruder im Schlepptau davon, in der Gewissheit, unantastbar zu sein.
Ich werfe dem Aufseher einen drohenden Blick zu. »Wenn er um Mitternacht nicht auf seinen Beinen stehen und knurren kann, wirst du dir wünschen, dass er dir an die Kehle gegangen wäre.« Es hat keinen Zweck, ihn wegen Zidan zu tadeln; wir wissen beide, was hier auf dem Spiel steht. Ich gehe in die Hocke, um den Wolf zu inspizieren. Er sieht wirklich jämmerlich aus, zerzaust und voller Bisswunden von den Hunden, die ihn zur Strecke gebracht haben. Er betrachtet mich ohne das geringste Interesse, weder sträuben sich seine Nackenhaare, noch kräuselt sich seine Schnauze. Er sieht aus, als wartete er nur auf den Tod. Mein Herz verkrampft sich vor Mitgefühl.
»Kann er überhaupt gehen?«
»Er ist stärker, als er aussieht«, meint der Aufseher abwehrend.
»Hol ihn raus. Ich möchte mich vergewissern, dass er es kann.«
Er wirft mir einen Blick zu. Wie kann ein hochnäsiger Sklave aus Guinea es wagen, so mit ihm, einem hellhäutigen Araber, zu sprechen? Verachtung und Hass gehen Hand in Hand: Ich glaube, ich weiß, wie es ausgehen würde, wenn er vor der Wahl stünde, mich oder den Wolf zu töten.
Widerwillig tut er, was ich sage, und betritt mit dem Stock in der Hand den Käfig. Der Wolf rührt sich nicht mal, als der Aufseher ihm eine Kette um den Hals legt. Am Ende muss er ihn herauszerren wie einen Sack voll Rüben, als hätte das Tier jegliche Kontrolle über seine Beine verloren. Trotzdem brechen die vier Esel, die der Sultan so liebt, nach einem Blick in ein wildes Geschrei aus und springen ans andere Ende der Koppel, wo sie die Strauße aufscheuchen, die nun ihrerseits einen ohrenbetäubenden Lärm veranstalten. Doch der Wolf liegt einfach da, und seine Nase berührt beinahe den Boden.
»Sieht nicht gut aus. Ist das der einzige Wolf, den die Jäger gebracht haben?«
»Der Sultan selbst hat ihn zur Strecke gebracht«, sagt der Mann mürrisch.
»Er muss bei der Zeremonie in besserer Form sein. Du weißt, dass der Sultan dich und mich einen Kopf kürzer macht, wenn das Tier ihn nicht zufriedenstellt oder gar zum Gespött macht.«
Der Aufseher denkt nach. Dann sagt er: »Kannst du die Hexe nicht um etwas bitten, damit es klappt?«
Ich starre ihn an. Weiß etwa der ganze Palast über meine Aufgaben Bescheid? Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, eile ich davon.
Ich will zu Zidana, wobei ich mir unterwegs einen Korb mit Orangen besorge, weil ich weiß, dass ich so etwas wie eine Rechtfertigung brauche, wenn ich den Harem ohne vorherige Vereinbarung betrete. Doch die Wachen am Tor lassen sich nicht übers Ohr hauen: Überall hängen die Bäume voller Orangen, selbst im Haremsgarten, und sind genau wie meine noch grün. Misstrauisch durchsuchen sie den Korb, während ich nervös von einem Fuß auf den anderen trete, bis sie fertig sind. Mir fällt auf, das Qarims Augen rot und geschwollen sind. Also weiß er bereits von Bilals Tod; in dem Gewirr von Gängen verbreiten sich Gerüchte mit rasender Geschwindigkeit. »Es tut mir leid um deinen Bruder«, sage ich leise.
Er nickt. Man spricht nicht über das Ableben derer, die mit Ismail aneinandergeraten sind. Sie hören einfach auf zu existieren. »Lasst den Mann durch, es sind nur Orangen«, weist er die anderen an. »Pass auf dich auf, Nus-Nus«, sagt er mit dieser hohen, leichten Stimme, die so gar nicht zu seiner Statur passen will. »Niemand ist hier sicher.«
Als ich auf den inneren Kern von Zidanas Palast zugehe, dringen die weichen Klänge einer Oud an mein Ohr. Die Oud ist ein wundervolles Instrument, ein Vorläufer der europäischen Laute, die ich sehr gern spiele, wenn ich Gelegenheit dazu habe. Sie hat etwas Klagendes, Schwermütiges, das sich besonders für Liebeslieder und traurige Melodien eignet. Ich beherrsche sie ganz gut, und jetzt juckt es mir in den Fingern mitzumachen. Dann erhebt sich eine Stimme dazu, und ich bleibe im Schatten der weinumrankten Arkade stehen, um zu lauschen.
Als ich ein Mann war, was war ich für ein Mann
Ich liebte die Frauen, und sie liebten mich
In ferne Länder bin ich gereist
Jetzt bin ich gefangen, o Weh über mich.
Gefangener einer schönen dunklen Maid
Um deren strahlend schwarze Augen sie alle beneiden
Doch ich kann sie nur ansehen und weiß, es ist Zeit
Ein Mann bin ich nicht mehr, drum müssen wir scheiden.
Ich
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