Die Sklavin des Sultans: Roman (German Edition)
glaube, dass ich mich ganz gut mache in der Rolle des besorgten Faktotums, doch der jüngere Beamte lässt sich von meinem Geplapper nicht ablenken.
»Du hast also keine verbotenen Substanzen für die Herrscherin Zidana gekauft?«
»Um Himmels willen, nein! Und ich an deiner Stelle wäre äußerst vorsichtig mit solch boshaften Gerüchten über die Hauptfrau des Herrschers.«
»Sie ist eine Hexe, das weiß jeder.«
Ich wende mich ab. »Ich habe zu tun. Ich kann nicht hier herumstehen und mir dein boshaftes Geschwätz anhören.«
Er packt mich am Arm. In einem früheren Leben läge er jetzt am Boden, doch an Ismails Hof lernt man schnell, seine natürlichen Impulse zu kontrollieren. »Ich habe einen vom qadi unterschriebenen Haftbefehl für den Fall, dass du nicht mit uns kooperierst.«
Sie halten mich also tatsächlich für tatverdächtig. Mein Herz hämmert unangenehm, und ich erinnere mich an die Stimme, die mir nachrief, als ich den Stand verließ. Sie hatte Sidi Kabour gerufen, doch was, wenn jemand mich trotz meiner Verkleidung erkannt hatte?
»Der weiße Umhang, den du getragen hast – wo ist er jetzt?«
Gesegnet sei Zidana. »In meinem Zimmer. Warum fragst du?«
»Der Mann, der Hamid Kabour getötet hat, muss mit Blut beschmiert gewesen sein. Es war ein grausames Gemetzel.«
Ich mache eine Geste, um den bösen Blick abzuwehren, und der ältere Beamte folgt meinem Beispiel. Er sieht mir in die Augen. »Hast du diesen Umhang greifbar, sodass wir ihn uns ansehen können? Dann kannst du weiter deinen Geschäften nachgehen«, sagt er erheblich freundlicher als sein Begleiter.
»Natürlich. Der Herrscher selbst hat ihn mir geschenkt. Er gehört zu meinen kostbarsten Besitztümern.«
Die Wachen begleiten uns auf dem Weg durch das Gehämmer und Gewusel der endlosen Bauarbeiten. Im zweiten Hof hat man eine große Grube ausgehoben, um tadelakt zu mischen, einen speziellen Kalkputz, der sich auf Hochglanz polieren lässt. Eine feine und komplizierte Kunst; es dauert Monate, bis er fest ist. Im Frühstadium kann er sehr explosiv sein. Während wir daran vorbeigehen, ertönt ein Schrei, und einer der Arbeiter stolpert rückwärts, während er sich das Gesicht hält.
»Kalkverätzung«, sage ich kopfschüttelnd. »Wahrscheinlich wird er für den Rest seines Lebens blind sein.«
»Guter Gott«, sagt der ältere Beamte. »Der arme Mann.«
»Wenn er Glück hat, kommt er mit dem Leben davon.«
»Incha’Allah.« Er denkt darüber nach und setzt dann hinzu: »Und wenn nicht?«
»Dann werfen sie ihn in die Kalkmischung.«
Er wirkt entsetzt.
»Ihr würdet noch viel Schlimmeres sehen, wenn ihr euch länger hier aufhieltet. Im Durchschnitt verlieren wir dreißig Arbeiter pro Tag.«
Danach gehen wir schweigend weiter, doch fällt mir auf, dass die Augen des älteren Mannes alles registrieren, als wir auf dem Weg zum inneren Kern der Anlage an immer beeindruckenderen und prächtig geschmückten Gebäuden vorbeikommen. Wer kann es ihm verdenken? In ganz Marokko hat man noch nie etwas von solcher Größe und solchen Ausmaßen in Angriff genommen. Der jüngere Beamte dagegen ist völlig desinteressiert, und ich habe den Verdacht, dass er schon einmal im Innern des Palastkomplexes war. Er wirkt ungeduldig; er reckt das Kinn bei jedem Schritt, als könnte nichts ihn von seinen Pflichten abbringen. Ich spiele mit der Idee einzuräumen, dass ich die Leiche von Sidi Kabour gefunden und seinen Stand verlassen habe, ohne es zu melden, doch irgendetwas sagt mir, dass sie von ihrem Kurs nicht abweichen werden und es die Sache nur schlimmer machen würde.
An der Tür zu meinem Zimmer bleibe ich stehen. »Ich bringe euch den Burnus, dann könnt ihr ihn untersuchen.«
»Wir kommen mit rein.« Der zweite Mann sieht mich durchbohrend an.
Sie bleiben an der Tür stehen und sehen sich die spärliche Einrichtung an, während ich den Umhang aus der Truhe nehme. Sie untersuchen ihn genau und geben ihn mir zurück, nachdem sie kein Blut haben finden können. »Ist das der einzige weiße Burnus, den du besitzt?«
»Ich bin ein armer Mann.«
Der Jüngere grinst verächtlich und wendet sich zu Hassan um. »Du hast ausgesagt, dass du Dienst hattest, als dieser Mann zurückkehrte?«
Hassan nickte. »Ja, ich habe ihm das Tor geöffnet. Er rannte …«
»Er rannte ?« Er dreht sich wieder zu mir um. »Warum bist du gerannt?«
»Es regnete.«
»Du hast nicht gesagt, dass er einen weißen Umhang trug, als er zurückkam«, sagt der
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