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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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wieder in Gang gebracht hätte. Und Dürreperioden und Überflutungen sind schlicht und einfach ein natürlicher Teil des Wetterzyklus. Daher nehme ich an, deine Leute haben die Nerven verloren, weil sie sich eingebildet haben, genau zu wissen, was es mit dieser Prophezeiung auf sich hat … eine von Furcht und Ignoranz geschürte Fehlinterpretation.« Ihre Augen sprühten Funken, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust, wobei sie wünschte, ihr Schlafanzugoberteil hätte nicht ganz so viele Löcher aufzuweisen – und nicht ausgerechnet an den unschicklichsten Stellen. »Außerdem lässt sich eine Verbannung wohl kaum mit einem Mordanschlag durch Brandstiftung vergleichen.«
    »Nun, hierzulande kann ein Fluch bewirken, dass eine
Kuh keine Milch mehr gibt oder die Ernte durch Dürre oder eine Flut zerstört wird«, versetzte er. »Der Rat der Magier tut sein Bestes, um solche Dinge zu verhindern, aber ein Fluch muss durchaus ernst genommen werden.«
    »Okay, schon gut. Vielleicht trifft das ja auf diese Welt zu, aber womit wird dir denn nun in diesem Lied konkret gedroht, dass du die Hosen so gestrichen voll hast?«, schoss sie zurück.
    »Dass ich was?« Saber musterte sie verwirrt – nicht, weil es für ihre Worte keine Übersetzung gab, sondern weil er noch nie eine Frau eine solche Sprache im Munde hatte führen hören.
    »Vergiss es. Ich nehme doch an, du kennst den dich betreffenden Teil des Fluches auswendig?«, fügte sie zuckersüß hinzu, noch immer mit verschränkten Armen auf dem überdimensionalen Bett sitzend.
    Saber maß sie mit einem finsteren Blick, begann aber, den Vers zu rezitieren.
    Den ersten Sohn ereilt das Los:
Trifft ihn der wahren Liebe Pfeil,
Ihr auf dem Fuß folgt das Unheil.
Und Katan ihm die Hilfe verwehrt,
Wenn die Jungfrau das Schwert begehrt.
    Kelly blinzelte. »Oh.« Sie musste zugeben, dass die Zeilen bedrohlich klangen, doch sie schüttelte den Gedanken hastig ab. »Das ist doch alles viel zu nebulös, um deswegen in helle Aufregung zu geraten.«
    »Es besagt klar und deutlich, dass Unheil über den gesamten Kontinent hereinbrechen wird«, beharrte er.
    »Nein, es besagt nur, dass Unheil kommen und Katan jegliche Hilfe verweigern wird, wenn es soweit ist«, stellte sie richtig und ließ die Arme sinken. Ihr Magen knurrte vernehmlich. »Gibt es hier auch etwas zu essen, oder soll
ich während meiner Zeit als ungebetener Gast in eurem gemütlichen Heim auch noch verhungern?«
    Saber ging auf ihre Bemerkung nicht ein. Seine Gedanken kreisten noch um das, was sie über die Prophezeiung gesagt hatte. Es klang durchaus logisch, zumal es dem Wortlaut der sich auf ihn beziehenden Strophe weitaus genauer entsprach, als es seine eigene Interpretation so lange getan hatte. Dann schüttelte er sein honigblondes Haar. »Das Unheil wird uns auf jeden Fall treffen, wenn ich mich verliebe.«
    »Yeah. Und eure Nachbarn haben euch praktischerweise ins Exil verbannt, sodass ihr gezwungen seid, ohne ihre Hilfe damit fertig zu werden. Ob absichtlich oder nicht, fest steht, dass sie einen Teil der Prophezeiung selbst erfüllt haben, indem sie euch in die Isolation schickten.«
    Dieser glasklaren Logik hatte er nichts entgegenzusetzen. »Das … das ist unglaublich.«
    »So sehe ich es jedenfalls«, verteidigte Kelly ihre Theorie, dann huschte der Anflug eines Lächelns über ihr Gesicht. »Wenn du wirklich willst, dass ich den Mund halte, dann stopf etwas Essbares hinein. Das funktioniert immer – zumindest eine Weile lang.«
    Er sah sie an. Es dauerte einen Moment bis er begriff, dass sie das Thema gewechselt hatte. Ihre Deutung der Prophezeiung brachte mit ihren schwer zu widerlegenden logischen Erkenntnissen das, woran er ein ganzes Leben lang geglaubt hatte, ins Wanken. »Hast du Hunger?«, fragte er schließlich benommen.
    Sie nickte nachdrücklich. »Und ob. Außerdem müsste ich dringend eure sanitären Einrichtungen in Anspruch nehmen, Nachttopf, Plumpsklo, Badezimmer, Herzhäuschen, was auch immer einem hier zur Verfügung steht. Oder bin ich in meiner Bewegungsfreiheit so eingeschränkt, dass ich das ruinieren muss, was von diesem Bett noch übrig geblieben ist?«
    Seine Miene verfinsterte sich erneut. Mit einem Finger deutete er auf eine dem Eingang gegenüberliegende Tür. »Diese Tür führt in die Abtrittkammer. Und du bist nur insofern eine Gefangene, als ich dir nicht erlauben kann, nach Belieben in der Burg herumzustreifen und den Fluch auf meine Brüder

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