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Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)

Titel: Die Söhne der Insel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Johnson
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Schmerzen, Verwirrung und Furcht, aber Gott sei Dank war es nur ein Traum gewesen … obwohl dieser blonde grobe Klotz wirklich eine Sünde wert gewesen wäre. Wenn er sie nur nicht immerzu angeschnauzt hätte …
    Ein Federkiel piekste sie in die Wange. Sie strich mit der Hand darüber, damit sich die Feder zu ihren Brüdern und Schwestern in der Kissenfüllung gesellte … dabei besaß sie gar kein Federkissen. Ihre Großmutter hatte darauf geschworen, aber für Kellys Geschmack waren sie zu flach und dünn, also hatte sie sie nach Granny Doyles Tod durch billigere, mit synthetischen Materialien gefüllte Kissen ersetzt. Nein, Kelly benutzte schon lange keine Federkissen mehr.
    Wenn ich in einem Bett mit einem Federkissen schlafe, kann das nur bedeuten … Abrupt schlug sie die Augen auf und inspizierte ihre Umgebung. Das hier … war nicht ihr Schlafzimmer. Es war auch nicht das Gästezimmer in Granny Doyles Haus oder sonst irgendein Raum, den sie kannte, was den Schluss nahelegte, dass es sich ganz offensichtlich nicht um einen Traum handelte, so sehr sie sich auch wünschte, es wäre so.
    Ihr Blick fiel als Erstes auf die Samtvorhänge, die von den sechs Flügelfenstern in dem achteckigen Raum zurückgezogen
worden waren. Die ursprünglich rote Farbe des Samtes wies einen grauen Staubschleier auf; Reste von Spinnweben hafteten daran. In die Wände zwischen den Fenstern waren Bücherregale eingelassen; Schränke, eine Frisierkommode, Truhen, einige gepolsterte, kunstvoll geschnitzte Stühle und ein kleiner Fußschemel mit einem Kissen darauf möblierten den Raum. Alle Stücke waren üppig verziert, mit Schnitzwerk versehen – und anscheinend unzählige Jahre nicht mehr gepflegt worden.
    Wenigstens hatte man das Bett, in dem sie lag, gesäubert und gelüftet, und es schien auch keine Wanzen oder sonstige ungebetenen Gäste zu beherbergen. Doch außer der Aura von Verfall und Vernachlässigung störte sie noch etwas an diesem Raum – etwas, was ihr sofort auffiel, als sie sich behutsam aufrichtete, um sich genauer umzusehen. Er befand sich darin.
    Er saß auf einem der gepolsterten Stühle, seine Stiefel ruhten auf einem Schemel, die Ellbogen auf den Armlehnen, und in seinem Schoß lag ein mittelgroßes, ledergebundenes Buch; der altmodische, handgenähte Rücken lehnte an seinem leicht angezogenen Knie. Staubpartikel flirrten über seiner Schulter im Sonnenlicht, das in einem niedrigen Winkel durch eines der Fenster fiel, verwandelten sich im hellen Schein in winzige tanzende Sterne und verliehen seinem dunkelblonden Haar goldene Glanzlichter. Während sie ihn schweigend beobachtete und zu ergründen suchte, ob er in der Rolle ihres Entführers oder ihres Gefängniswärters hier saß, befeuchtete er Daumen und Zeigefinger, blätterte die Seite um und ließ die Hand am Rand hinuntergleiten, dann hob er sie leicht an und ermöglichte ihr so einen Blick auf gedruckte Buchstaben, die mit denen der englischen Sprache nichts gemein hatten.
    Sie verspürte ein leichtes Pochen hinter ihren Augen, als sie begriff, dass hier in der Tat Magie im Spiel war, dass sie sich wirklich nicht mehr in Kansas befand und nicht
in irgendeinem bizarren Traum gefangen war. Sie rieb sich über Stirn und Schläfen, dann holte sie tief Atem und nahm all ihren Mut zusammen. »Was tue ich hier?«
    »Du bleibst erst einmal hier.«
    »Also bin ich eure Gefangene«, stellte Kelly resigniert fest.
    »Du bist lästig und eine Gefahr für uns. Sobald sich mein Bruder wieder erholt hat, wird er irgendeinen sicheren Ort für dich ausfindig machen und dich dorthin schicken.«
    »Das klingt ja so, als hätte ich darum gebeten, aus meiner vertrauten Umgebung herausgerissen und in eine Welt voll seltsamer Magie versetzt zu werden«, fauchte sie, über seine unfreundliche Antwort verärgert. »Nichts für ungut, ich bin verdammt froh, dass mich diese bigotten, engstirnigen, hirnlosen Fanatiker nicht wie ein Brathähnchen gegrillt haben, aber hier habe ich bislang auch nicht gerade die entgegenkommendste Behandlung erlebt, wenn ich das einmal so ausdrücken darf.«
    Er riss sich einen Moment lang von seinem Buch los und runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
    Sie starrte ihn fassungslos an. Das fragte er noch? »Erst hast du mich immer wieder angegriffen, dann musste ich dieses abscheuliche Gebräu hinunterwürgen, und jetzt sitze ich als Gefangene in diesem dreckigen Loch fest, und du wunderst dich darüber, dass ich von alldem nicht allzu

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