Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
ähnlichen klebrigen Fleck auf dem Boden getreten. »Dasselbe gilt für den Fußboden. Und so viele Spinnweben und Staubflocken wie hier haben ich zuletzt im Fernsehen in einem alten Dracula-Film gesehen!«
»Wo?«, ertönte die verdutzte Frage.
Kelly schüttelte den Kopf. »Nicht weiter wichtig. Aber wenn ich hier fünf Monate festsitzen muss, bestehe ich auf einem Mindestmaß an Sauberkeit und Hygiene. Und glaubt mir, ihr werdet mir hinterher dafür dankbar sein«, fügte sie hinzu, dabei schob sie die Ärmel ihres Kleides hoch und zog sie wieder herunter, um ihre Unsicherheit zu überspielen. »Deshalb werden wir jetzt als Erstes …«
»Als Erstes«, unterbrach sie Morganen, trat zu ihr und geleitete sie zu dem nächstgelegenen freien Stuhl, »werden wir dafür sorgen, dass Ihr etwas in den Magen bekommt. Und danach stehen wir Euch für den Rest des Tages gern zur Verfügung.« Die anderen machten Anstalten,
Einwände zu erheben, begnügten sich aber angesichts des gebieterischen Blicks und des vielsagenden Räusperns ihres jüngsten Bruders mit einem unwilligen Murmeln und setzten sich wieder, sobald Kelly Platz genommen hatte. »Das Essen ist zwar nur noch lauwarm, aber trotzdem durchaus schmackhaft, wie Ihr gleich feststellen werdet.
Es tut mir leid, dass Rydan nicht ebenfalls hier ist, um Euch zu begrüßen«, fuhr Morganen fort, während er Sabers unberührten, leeren Teller vor sie hinstellte. »Aber er meidet das Tageslicht und bleibt nur lange genug hier, um einen Teil unseres Frühstücks zuzubereiten. Für gewöhnlich backt er Brot und erledigt ein oder zwei andere Dinge, dann nimmt er seinen Teller in seinen Turm mit, den noch nicht einmal wir betreten dürfen – das heißt, wir dürfen nicht weiter als bis zu der Kammer oben auf der Brustwehr gehen. Dafür leistet er uns beim Abendessen Gesellschaft, das wir erst nach Sonnenuntergang einnehmen, damit wir ihn überhaupt ein Mal am Tag für längere Zeit zu Gesicht bekommen.«
»Rydan – ist das der Schwarzhaarige mit den schwarzen Augen?«, vergewisserte sich Kelly, die an den mürrischen, wortkargen Mann denken musste, der am Abend der Makkadingsbums-Treibjagd an ihr vorbeigegangen war, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Er hatte auf sie wie ein Teil der Nacht gewirkt; ein Sturm mühsam gebändigter Macht, der an ihr vorübergerauscht war.
»Ja. Und ihr, sitzt nicht hier herum, als hätte es euch die Sprache verschlagen, sondern erinnert euch an eure Manieren und stellt euch vor«, fügte Morganen an seine Brüder gewandt hinzu, ehe er Kelly etwas von dem süßsäuerlichen grünlichen Saft eingoss, den sie schon einmal getrunken hatte. »Falls ihr es noch nicht mitbekommen habt – dies ist Lady Kelly of Doyle.«
»Ich bin keine Lady«, versuchte Kelly klarzustellen. Dies
traf nicht ganz zu, denn bei den Freunden des Mittelalters hatte man ihr tatsächlich einen solchen Ehrentitel verliehen, aber jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, um Erklärungen bezüglich des Unterschiedes zwischen echten und angenommenen Titeln abzugeben. »Ich bin amerikanische Staatsbürgerin und gelte nicht mehr und nicht weniger als jeder andere Mensch auch.«
Der Bruder mit den kupferblonden Haaren, der sie trotz ihres offenkundigen Zorns mit seinen katzengrünen Augen verschlungen hatte, setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Oh, aber jede Frau, die den auf Nightfall lauernden Gefahren trotzt, muss etwas ganz Besonderes sein.«
»Gefahren?« Kellys Brauen schossen in die Höhe. »Wie zum Beispiel kleine schwarze Makka-wie-auch-immer-Biester, Spinnweben und klebrige Flecken auf dem Boden und eine Horde ungehobelter, unhöflicher Männer, deren Manieren im Lauf der letzten drei Jahre offensichtlich weitgehend in Vergessenheit geraten sind?«
»Vornehmlich Letzteres«, stimmte Morganen trocken zu, während er seinen Platz wieder einnahm. »Mich kennt Ihr ja schon mehr oder weniger; ich bin Morganen der Magier, der jüngste der acht und derjenige, der Euch hierher gebracht hat.«
Zu ihm würde sie höflich sein, beschloss sie. Schließlich verdankte sie ihm ihr Leben sowie die Fähigkeit, sich mit ihren Gastgebern zu verständigen. »Und für diese Rettung in letzter Minute möchte ich Euch noch einmal danken, Morganen«, gab sie mit einem freundlichen Lächeln zurück. Sie war froh, dass wenigstens einer hier willens war, sich in normaler Lautstärke mit ihr zu unterhalten, statt sie ständig anzuschreien. Dann sah sie den links von ihr sitzenden Mann an,
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