Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
und den jetzigen Herren von Nightfall … und es wäre mir eine Freude, Euch gefällig zu sein, Mylady.« Seine Stimme glich einem sanften, fast schon verführerischen
Schnurren. Doch Kelly, die schon häufiger mit Männern seines Schlages zu tun gehabt hatte, zeigte sich von seinem Charme unbeeindruckt. Sein Gebaren wirkte für ihren Geschmack entschieden zu gekünstelt.
»Ah ja. Ich werde es mir merken.« Sie nickte ihm zu, ohne weiter auf ihn einzugehen, und sah dann Evanor an. »Euren Namen kenne ich bereits … Evanor, nicht wahr?«
»Evanor der Sänger«, vervollständigte er und strich eine hellblonde Haarsträhne hinter sein Ohr zurück.
Alle acht Brüder hatten gerade Nasen, hohe Wangenknochen, ein kantiges Kinn, eine wohlgeformte Stirn, schön geschwungene Brauen und kleine, geradezu zum daran Knabbern einladende Ohren … auch der Älteste. Hör auf, an diesen groben Klotz zu denken , befahl Kelly sich energisch. Konzentrier dich lieber auf die anderen Burschen. In der nächsten Zeit bist du nämlich auf sie angewiesen, ob dir das nun gefällt oder nicht .
Evanor fuhr mit einem weichen Lächeln fort: »Ich bin der jüngere Zwilling von Dominor und somit der vierte Sohn des Schicksals. Wenn Ihr meine Hilfe benötigt, Mylady, dann müsst Ihr nur meinen Namen singen – singen, nicht einfach nur aussprechen – und dann werde ich Euch hören und Euch antworten, egal wo ich mich gerade auf der Insel aufhalte.«
Kelly musterte ihn neugierig. »Sehr praktisch, das muss ich schon sagen.«
Er bedachte sie mit einem schiefen Grinsen und neigte den blonden Kopf, um eine Verbeugung anzudeuten. »Ich bin so etwas wie der Burgherold. Aber Laute, Geräusche und Lieder sind seit jeher meine ganz persönliche Domäne, müsst Ihr wissen. Ich für meinen Teil habe übrigens nichts dagegen, Euch beim Säubern der Burg zu helfen, ich wäre Euch nur dankbar, wenn Ihr als Frau aus dem Schatz Eurer Erfahrungen schöpfen und uns raten würdet, wo wir am besten damit anfangen sollen, den Schmutz der vergangenen
Jahrzehnte zu entfernen. Alleine wäre ich damit überfordert, und ich habe auch offen gestanden bislang keinen Grund gesehen, mir die Mühe zu machen, andere Räume instand zu setzen als die, die meine Brüder und ich bewohnen. Außer uns lebte ja niemand hier.
Aber nun, wo eine Frau unter uns weilt, muss ich zugeben, dass ich mich schäme, weil wir alles hier so haben verkommen lassen«, fuhr Evanor zum sichtlichen Verdruss seiner Brüder wortgewandt fort. »Ich fürchte, wir sind im Laufe der letzten drei Jahre wirklich sehr nachlässig geworden. Also tut Euch keinen Zwang an und sagt mir, was zu tun ist, und ich sorge dann dafür, dass es getan wird. Was würdet Ihr vorschlagen?«
»Gründlich Staub zu wischen, alle Spinnweben zu entfernen und die Böden zu schrubben«, erwiderte Kelly prompt. »Die Küche und dieser Tisch hier müssen blank gescheuert werden, sämtliche ›Abtrittkammern‹, wie ihr sie nennt, ebenfalls; die Fenster müssen geputzt, die Bettwäsche gewaschen und die Kissen ausgeklopft werden. Alle hölzernen Oberflächen sollten mit Sand abgeschmirgelt, die Vorhänge gewaschen, geflickt oder erneuert, die klemmenden Türen und Fenster abgehobelt, die Griffe und Scharniere geölt und sämtliche Möbel poliert werden.
Ferner müsste in den Höfen das Unkraut in den Ritzen zwischen den Steinplatten entfernt, die Beete gejätet, die Rasenflächen gemäht und die Büsche und Ranken zurückgeschnitten werden, damit es hier nicht aussieht wie in einem Dschungel – wie ihr seht, gibt es vieles, was man tun kann, um dieses Gemäuer wohnlicher herzurichten.«
»Und Ihr bildet Euch ein, wir würden all diese Arbeiten bereitwillig für Euch übernehmen?«, ließ sich Dominors mürrische Stimme vom Platz neben ihr vernehmen.
»Ich bin mit dem Drecksloch, in das euer ältester Bruder mich gesteckt hat, bereits gut vorangekommen«, gab Kelly zurück. »Und vergesst nicht, dass mir keine magischen
Hilfsmittel zur Verfügung standen. Ihr habt alle viel zu lange als Junggesellen gelebt, und das ist leider nicht zu übersehen.« Dominor wirkte nicht sonderlich überzeugt, die anderen bestenfalls unschlüssig. Kelly holte tief Atem und lächelte mit zusammengebissenen Zähnen. »Lasst es mich einmal so ausdrücken … wenn ich fünf Monate hierbleiben muss, bis Morganen einen sicheren Weg findet, mich nach Hause zurückzuschicken, was wäre euch dann lieber – dass ihr mir ein paar Wochen lang helft,
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