Die Söhne der Insel: Roman (German Edition)
nähernden, nichts Gutes verheißenden Tap! Tap! Tap! ihrer slipperbekleideten Füße schlagartig verstummten.
Gabeln verharrten regungslos in der Luft. Münder hielten mitten im Kauen inne. Sechs Augenpaare – farblich war außer Grau und Schwarz alles vertreten – starrten sie an, als sie durch die geräumige Halle schritt. Sechs ausgesprochen gut aussehende Männer musterten sie mit sichtlichem Unbehagen. Leider befand sich der, der ihr als Zielscheibe ihres Zorns am liebsten gewesen wäre, nicht unter ihnen, aber sie hatte keine Skrupel, mit den anderen als Ersatz vorliebzunehmen.
Keiner von ihnen schluckte den Bissen hinunter, den er im Mund hatte. Keiner sprach ein Wort. Alle verfolgten nur stumm wie sie auf den Tisch zukam – was allerdings auch an den Änderungen liegen konnte, die sie an ihrem Kleid vorgenommen hatte, und das jetzt den Schwung ihrer Taille und ihrer Hüften sowie die Rundungen ihrer in das Korsett gepressten Brüste äußerst vorteilhaft betonte. Den langweiligen hochgeschlossenen Halskragen hatte sie durch einen tiefen herzförmigen Ausschnitt ersetzt. Dem rothaarigen Bruder quollen bei ihrem Anblick fast die Augen aus dem Kopf, was ihren Zorn seltsamerweise noch schürte.
Sie stemmte die Hände in die Hüften, blickte herausfordernd in die Runde und machte sich den Überraschungseffekt, den sie mit ihrem unverhofften Erscheinen erzielt hatte, sofort zunutze. »Erst rettet ihr mich aus einem brennenden Haus und entführt mich aus meiner eigenen Welt, dann wollt ihr mich mit Gewalt zum Essen zwingen, und jetzt schließt ihr mich in meinem Zimmer ein und lasst mich hungern? Was seid ihr nur für Menschen?«
Morganen schluckte den Bissen Brot hinunter, an dem er kaute, versetzte seinem ihm am nächsten sitzenden Bruder
einen Rippenstoß und erhob sich dann höflich. Die anderen erinnerten sich verspätet an ihre Manieren und taten es ihm nach. Während noch die Stühle gerückt wurden, ergriff Morganen bereits das Wort. »Es lag nicht in unserer Absicht, Euch hungern zu lassen … und ich wusste auch nicht, dass Euch jemand in Eurer Kammer eingeschlossen hat, Mylady.«
»Vielleicht klemmt die Tür einfach nur«, warf Koranen rasch ein, dabei wanderte sein Blick über die Gesichter seiner Brüder hinweg und blieb auf Kelly haften, ehe er die Achseln zuckte. »Das tun viele hier im Donjon, in den Seitenflügeln und sogar in einigen der äußeren Türme.«
Kelly, die nicht gewillt war, sich so leicht beschwichtigen zu lassen, hob die Hände und zählte an den Fingern ab. »Lausige Hausmeister, lausige Gärtner, lausige Gentlemen und lausige Gastgeber – euch fehlt wirklich eine Frau, die euch einmal gründlich den Kopf zurechtrückt!«
Dominor nahm die Herausforderung sofort an. Er verschränkte die Arme vor seiner mit einer dunkelvioletten Tunika bekleideten Brust. »Und Ihr glaubt, Ihr wärt besagte Frau?«
»Da außer mir keine andere hier ist, muss es wohl so sein«, versetzte sie sarkastisch, dann deutete sie mit angewiderter Miene auf den Tisch. »Keine Frau, die halbwegs bei Verstand ist, würde zulassen, dass ihr Heim in so einen Schweinestall verwandelt wird. Schaut euch doch nur diesen Tisch an!«
Die sechs Brüder starrten mehr oder weniger betreten auf die Tischplatte. Sie war mit schmutzigem Geschirr, Essensresten, Obstkernen und Schalen, Brotrinden und den unvermeidlichen Flecken übersät, die entstehen, wenn ein Tisch nicht nach jeder Mahlzeit abgewischt wird. Auch die klebrigen Ringe unter den Bechern ließen darauf schließen, dass sich niemand die Mühe machte, hin und wieder zu einem Lappen zu greifen. Ein paar braun angelaufene
Apfelgehäuse verströmten einen süßlich fauligen Gestank.
Einer der Brüder – der mit dem Haar, das noch kupferfarbener leuchtete als ihre eigenen rotblonden Locken – sah aus grünen Augen zu ihr auf. »Was gibt es denn daran auszusetzen?«
»Er starrt vor Schmutz!«
»Wir haben gerade gegessen«, gab der größte und kräftigste der Männer mit tiefer, rumpelnder Stimme zurück. Sein zottiges braunes Haar fiel ihm offen auf die Schultern. »Natürlich strahlt er im Moment nicht gerade vor Sauberkeit.«
»Ich wollte eigentlich sagen, dass er regelmäßig mit Sand abgeschrubbt und poliert werden sollte, damit die Essensreste nicht daran kleben bleiben.« Naserümpfend bewegte Kelly die Zehen in ihren Slippern und erzeugte so ein Geräusch, das klang, als würde ein Klettverschluss aufgerissen. Sie war versehentlich auf einen
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