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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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gebe, das in Liedern besungen würde, und der Mann erzählte ihm von Xanthos, dem unsterblichen Roß des Achilles.
    Xanthos ließ die übrigen Jungen vor Neid erblassen, aber Remus war gutmütig genug, hin und wieder einen von ihnen aufsitzen zu lassen, allerdings nicht, wenn sie ihre Witze über Wölfinnen rissen. Er fand es schön, endlich eine Mutter wie die anderen Kinder zu haben, auch wenn sie gelegentlich seltsam war.
    »Glaubst du, sie kriegt bald ein Kind, jetzt, wo sie wieder hier ist?« fragte er seinen Bruder einmal, als sie beide im alten Gehöft herumlungerten, um das Schlachten der Schweine nicht miterleben zu müssen. Der Vater, Pompilius und einige andere Männer, denen Schweine gehörten, hatten entschieden, daß es wieder soweit wäre, und auch wenn es gutes Fleisch für die nächsten Tage bedeutete, graute es die Jungen davor. Sie kannten die Schweine und hatten ihnen sogar Namen gegeben. Außerdem war der hohe Todesschrei eines Schweines, dem die Kehle durchschnitten wurde, so durchdringend, daß er einem durch Mark und Bein fuhr. Sie hatten ihn einmal gehört, vor zwei Jahren, und das genügte ihnen. »Die anderen Mütter haben ja auch ständig einen dicken Bauch.«
    Romulus schaute bei der Aussicht auf weitere Geschwister alles andere als begeistert drein. »Nein«, entgegnete er heftig. »Sie kriegt kein Kind mehr.«
    Auch Romulus hatte seine seltsamen Momente, doch dies war keiner davon. Manchmal war es so leicht, ihn zu durchschauen.
    »Ich glaube nicht, daß sie ein neues Kind lieber mögen würde als dich«, sagte Remus tröstend. »Der Vater auch nicht.«
    Romulus sprang wütend auf. »Mir ist es gleich, ob sie mich mag. Ich hasse sie! Und«, fügte er bitter hinzu, »wir wissen doch beide, daß der Vater dich lieber mag als mich.«
    Es war die Art von Geständnis, die Romulus veranlassen würde, in den nächsten Tagen kaum mehr mit ihm zu sprechen, also schüttelte Remus energisch den Kopf.
    »Tut er nicht.«
    »Tut er doch«, beharrte Romulus und klang mit einemmal mehr traurig als zornig.
    Remus biß sich auf die Lippen. »Weißt du... ich mag dich lieber als sonst jemanden«, bot er zögernd an.
    Das Schlimme war, dachte Romulus, während er in die ehrlichen Augen seines Bruders schaute, daß Remus es so meinte. Remus beteiligte sich an den gleichen gelegentlichen Schwindeleien wie alle Kinder, aber bei so etwas würde er nicht lügen. Es lag Romulus auf der Zunge zu fragen: Warum denn nur?
    Er tat es nicht. Er konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Remus sich winden würde, um glaubhafte Gründe für seine Behauptung zu finden, und Romulus wußte, daß es keine gab. Gewiß, er hatte ein besseres Gedächtnis als die anderen Kinder, aber was wog das schon gegen den Umstand, daß Remus einfach in allem anderen besser war? Gegen die Dunkelheit in seinem Herzen, das Böse, das sie ihm vererbt hatte und das ihn manchmal dazu brachte, sich mit Worten über Remus lustig zu machen, die dieser nicht verstehen konnte, um seinem Bruder damit das Gefühl zu geben, dumm zu sein.
    Wer mag schon jemanden wie mich?
    »Wollen wir wetten, daß ich mich so verstecken kann, daß du mich nicht findest?« fragte er unvermittelt, und zu seiner Erleichterung ging Remus auf das Spiel ein. Manchmal tat es gut, einen Bruder zu haben.

    Remus war nicht der einzige, der sich fragte, ob Larentia wieder schwanger werden würde. Nachdem der Barde verschwunden war, dachte Faustulus oft an ein Kind. Es würde dem kleinen Wurm an nichts mangeln, so gut, wie sie jetzt dastanden. Ein Kind von ihm wäre gewiß genau das Richtige, um Larentia ihre Vergangenheit endgültig auszutreiben. Sein Kind. Er liebte die Zwillinge, doch die Vorstellung, ein weiteres Kind zu haben, das unbelastet von bösen Träumen wäre, erschien ihm immer reizvoller.
    Es enttäuschte ihn, daß die Zeit verging und Larentias Bauch flach blieb, ja sich wieder verhärtete wie ihre Handflächen, jetzt, wo sie erneut täglich körperliche Arbeit verrichtete. Schließlich sprach er sie darauf an.
    »Ich kann keine Kinder mehr bekommen, Faustulus«, erwiderte sie.
    »Aber du bist noch jung«, protestierte er, »und gesund. Wie willst du das wissen?«
    »Weil ich nicht blute. Schon seit der Geburt der Zwillinge nicht mehr.«
    Das war ein schwerer Schlag. Es fiel ihm ein, was er gedacht hatte, als ihm der König von Alba vor all den Jahren seine schwangere Nichte anbot. Ein fruchtbares Weib ist ein begehrenswertes Weib . Nicht ahnend, daß sie den Tod für

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