Die Söhne der Wölfin
im geringsten an Ilian erinnerte.
»Ich wollte nicht anmaßend sein«, entgegnete Ulsna demütig.
»Laß mich urteilen, ob es Anmaßung gewesen wäre. Wie ich höre, bist du weit gereist und beherrschst auch die Weisen anderer Völker?«
»So ist es, mein König.«
»Nun, dann beginne mit etwas Griechischem.«
Ulsna gehorchte und spielte ein einfaches griechisches Sommerlied, das die Götter um eine sichere Ernte bat, nichts Schwieriges, doch geeignet, seiner Stimme die Gelegenheit zu geben, sich für längere Stücke aufzuwärmen. Als Arnth beifällig nickte, gab er als nächstes ein Seemannslied zum besten, weil es ihm immer Glück gebracht hatte, und ging schließlich zu der Klage der griechischen Göttin Demeter um ihre verlorene Tochter über, die der Gott der Unterwelt geraubt hatte, ein Stück, das ihn wirklich herausforderte und ihn mit Schweißtropfen auf der Stirn und dem befriedigenden Gefühl, sein Bestes gegeben zu haben, zurückließ.
»Hervorragend«, sagte Arnth und klatschte in die Hände. Fließend ins Griechische überwechselnd, fuhr er fort: »Gerade das letzte Stück spricht zu meiner Seele. Ich habe vor Jahren ebenfalls jemanden verloren, die Tochter meines Bruders, die mir teuer war wie mein eigenes Kind. Ich dachte, sie bliebe für immer in der Unterwelt latinischer Barbaren, doch in der letzten Zeit häufen sich Zeichen um Zeichen, die mir verraten, daß sie zurückkehren könnte.«
Früher wäre Ulsna zusammengezuckt oder hätte sich bemüht, keine Miene zu verziehen, was im Grunde eine ebenso falsche Reaktion gewesen wäre. Die Jahre im Dienst der Herrin Nesmut und ihres Sohnes zahlten sich aus. Er zauberte eine Mischung aus ratloser Verwunderung und entschlossenem Respekt auf sein Antlitz, die ein Mann, der nicht wußte, wovon der König sprach, zeigen würde.
»Es kommt noch besser«, sagte Arnth scharf. »Nach einer Weile fällt mir auf, daß all diese wunderbaren Neuigkeiten etwas gemeinsam haben. Verfolgt man sie zurück, so endet man früher oder später bei einem unserer griechischen Freunde oder jemandem, der die griechischen Siedlungen bereist hat. Nun verrate mir, o weitgereister Barde, klingt etwas von all dem vertraut für dich?«
»Nein, mein König. Ich muß zugeben, ich habe von deiner Nichte gehört, aber nicht bei den Griechen, sondern hier, in dieser Stadt. In der letzten griechischen Siedlung, die ich besuchte, sprach man nur über Seeräuber und beschuldigte uns Rasna dabei. Ich bin nicht lange dort geblieben.«
Bei dieser Antwort brauchte er kaum zu lügen, was immer die beste Art von Täuschung darstellte. Seeräuber gab es bei allen Völkern, doch da die Rasna in den letzten Jahren, um ihre eigenen Schiffe zu schützen, stets bewaffnet in See stachen und Schiffe aus Graviscae erst im letzten Jahr solche aus Syrakus versenkt hatten, hatte die Luft in Syrakus beinahe vor Feindseligkeit gebebt, als sie dort vor Anker gegangen waren.
Arnth musterte ihn schweigend, und Ulsna griff zu seinem bewährten Mittel in solchen Momenten: In Gedanken ging er das längste Epos durch, auf das er sich besinnen konnte.
»Ja, unrechte Beschuldigungen sind eine schlimme Sache«, meinte der König schließlich. »Ich weiß, wovon ich rede. Manchmal ist man jahrelang geduldig, aber dann wieder reißt einem der Geduldsfaden, und das kann schwere Folgen haben. Tödliche Folgen. Drücke ich mich klar aus, Barde?«
»Herr, du kannst sagen, was dir beliebt, und ich bin dein gehorsamer Diener.«
Der Blick des Königs haftete noch eine Weile länger an ihm, dann schüttelte Arnth den Kopf und seufzte. »Dann laß uns hoffen, das ich mich irre«, murmelte er. »Spiel weiter, Barde.«
Für Remus war mit das Beste an der Rückkehr seiner Mutter das Pferd gewesen. Man brauchte ihn nicht bitten, es zu versorgen, er tat es freiwillig; er bürstete es, fütterte es, tränkte es und brachte sich selbst bei, darauf zu reiten, was das Verbot, Pompilius nach Alba zu begleiten, mehr als wettmachte. Gewiß, der Vater benutzte es zu so alltäglichen Zwecken wie dem Ziehen von Karren, die mit Getreide beladen waren, wozu er Remus’ Meinung nach wirklich nur die Ochsen verwenden sollte. Das Pferd war ein zu edles Tier. Helden und Könige besaßen Pferde. Als Larentia ihm erlaubte, dem Pferd einen Namen zu geben, war er überglücklich, denn das bedeutete schließlich, daß es im Grunde nun ihm gehörte. Er grübelte lange darüber nach; als der Barde sie besuchte, fragte er ihn, ob es ein Pferd
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