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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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alle weiteren Kinder im Leib trug. Er verbot sich, bitter zu werden. Er hatte die Zwillinge, zwei gute Söhne, die ihn versorgen würden, wenn er alt wurde. Und Larentia war zu ihm zurückgekehrt. Er versuchte, die Worte des Barden zu vergessen. Der Mann war ein verabscheuungswürdiger Schwächling. Außerdem war sie nicht mit dem Barden gegangen; sie war bei ihm geblieben.
    Während sich Woche an Woche reihte, wurde sie unruhiger, das konnte Faustulus spüren. Sie schlief schlecht, und sie starrte oft in die Ferne, als warte sie auf etwas. Er wünschte, sie würde Freundinnen im Dorf finden. Das war nicht leicht, er wußte es, aber dann hätte sie jemanden, mit dem sie über Frauendinge plaudern könnte. An dem Barden war etwas Weibisches gewesen, vor allem, wenn man die Rasna und ihre Gewohnheit, Bärte zu tragen, in Betracht zog und sich dann die flaumfreien Wangen dieses Ulsna vor Augen hielt. Ulsna hatte ihn nicht nach Messer und Bimsstein gefragt, um sich zu rasieren.
    Ihre Brüder waren, wenn er sich recht an den Klatsch unter den Kriegern erinnerte, seinerzeit ihrer Männlichkeit beraubt worden. Faustulus glaubte, des Rätsels Lösung gefunden zu haben: Ulsna war einer von Larentias Brüdern, der sich nicht zu erkennen geben durfte, und daher rührte ihr Band. Nach einer Weile fiel ihm allerdings wieder ein, daß beide Brüder wesentlich älter als Larentia gewesen sein mußten, und seine Erleichterung fiel in sich zusammen, denn Ulsna wirkte bestenfalls gleich alt.
    Er versuchte, sich das Grübeln über den Barden aus dem Kopf zu schlagen und sich lieber darum zu bemühen, Larentia stärker in sein Dorf einzubinden. Pompilia hatte ihm, als er sich mit zwei kleinen Säuglingen allein gelassen fand, öfter zur Seite gestanden, und so suchte er sie auf, um sie zu bitten, die stillschweigend ausgeübte Ächtung, die die Frauen des Dorfes über Larentia verhängt zu haben schienen, aufzuheben.
    »Ganz gewiß nicht!« gab Pompilia zurück, die Hände in die üppigen Hüften gestemmt, und er stand hilflos vor dem Redestrom, den er entfesselt hatte. »Ihr Männer könnt ein schlechtes Weib vielleicht nicht erkennen, aber ich kann es! Faustulus, eine Frau, die fortläuft, die ihre Kinder verläßt und dann einfach wieder aufkreuzt, als sei nichts geschehen, und dich auch noch dazu bekommt, sie wieder aufzunehmen, das ist ein Luder, das nichts taugt. Außerdem denkt sie, sie sei was Besseres als wir. Sie trägt die Nase hoch, als gehöre ihr die Welt. Sie bringt deinen armen Bürschchen allen möglichen Tusci-Unsinn bei, und sie hat den bösen Blick. Wenn du mich fragst, der Blitz, der sie trifft, der schlägt nicht zu früh ein!«
    Damit rauschte sie von dannen, und Pompilius, der das Ganze mit angehört hatte, klopfte Faustulus mitfühlend auf den Rücken. Danach machte Faustulus keinen Versuch mehr, für Larentia Freunde im Dorf zu finden.
    Er tröstete sich damit, daß sie so ihre Zeit den Kindern widmen konnte. Romulus schwatzte bereits recht lebhaft in der Tusci-Sprache, wenn er wollte, und Faustulus bemühte seine eigenen Kenntnisse, um dem Jungen zu zeigen, daß es ihn freute. Natürlich war er nach wie vor auch beunruhigt; es ging ihm darum, die Jungen so gut als möglich von der Welt der Tusci fernzuhalten, um Larentia gar nicht erst in Versuchung zu führen, ihrem Wahnsinn wieder nachzugeben. Doch alles, was sie enger an ihre Kinder band, mußte gut sein, beschwichtigte er sich und lächelte wohlwollend, wenn Remus ihn fragte, ob es wirklich Reiterspiele bei den Tusci gab.
    Sein unruhiges, unsicheres Glück hielt an, bis der Barde wieder auftauchte.

    Ulsna hatte einen langen Umweg über drei weitere Städte gemacht, ehe er sicher war, daß ihm niemand folgte, wenn ihm denn König Arnth tatsächlich Spione hinterhergesandt hatte. Er traute es dem König zu, hoffte jedoch, daß Arnth ihm nur aufgrund einer vagen Vermutung und nicht eines echten Verdachtes wegen seine Warnung hatte zukommen lassen. Als er seine Schritte schließlich wieder in das Grenzgebiet zwischen Alba und dem Latinerland lenkte, saß ihm eine neue Angst im Genick. Was, wenn Arnth trotz seiner Annahme, Ilian lebe nicht länger bei den Latinern, sie dennoch dort suchen ließ?
    Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als er die schäbige kleine Ansammlung von Hütten noch genauso vorfand, wie er sie verlassen hatte, ohne die Spuren, die eine gewaltsame Durchsuchung durch Krieger zweifellos zur Folge gehabt hätte. Seine Erleichterung rundete sich

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