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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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würde es schon noch lernen, dachte Prokne und wußte nicht, ob sie diese Aussicht bedauerte oder begrüßte. Doch eines Gefühles war sie sich gewiß: tiefe Erleichterung, daß Ilian samt ihres Sohnes und ihrer erzürnenden, verstörenden und fesselnden Gegenwart bald wieder aus ihrem Leben verschwinden würde.

    Der Abend, den er für seine entscheidende Frage vorgesehen hatte, fing für Arion nicht gut an. Statt auf eine heitere Ilian traf er auf eine besorgte Frau, die damit beschäftigt war, Ulsna zu verarzten. Nicht, daß Ulsna es nicht nötig gehabt hätte; der arme Kerl sah aus, als sei er in eine Prügelei geraten. Doch just an diesem Abend hätte Arion ihn anderswohin gewünscht.
    »Was ist denn geschehen?« fragte er, während Ilian Ulsnas aufgeplatzte Lippe mit einem feuchten Lappen abtupfte und ihm außer einem flüchtigen Nicken keine weitere Beachtung schenkte.
    Ulsna winkte ab. »Nicht weiter wichtig«, brachte er heraus, und Ilian schalt ihn sofort, er solle schweigen, sonst werde die Unterlippe nur von neuem aufreißen.
    »Vielleicht sollte ich später...«, begann Arion. Ulsna warf ihm einen Blick zu und runzelte die Stirn. Dann stand er auf, nahm Ilian das Tuch aus der Hand und eilte aus dem Raum. Sie verzog das Gesicht und seufzte.
    »Männer«, sagte sie. »Verrate mir doch, Arion, wie seid ihr nur zu dem Ruf gekommen, weniger empfindlich als Frauen zu sein und euch von eurem Verstand leiten zu lassen?«
    »Nun, die Göttin des Verstandes mag zwar eine Frau sein, aber sie hat sich bisher nur männliche Schützlinge erkoren. Das muß einen Grund haben.«
    »Woher willst du wissen, daß sie sich nur männliche Schützlinge erkoren hat?« fragte Ilian. »Wenn du danach gehst, was bekannt ist, nun, nur Männer würden darüber prahlen. Frauen behalten solche Dinge für sich. Deswegen erfahren die Barden nie davon.«
    Erleichtert, daß wieder der alte scherzende Ton zwischen ihnen herrschte, beschloß Arion, gleich zur Sache zu kommen, ehe Ulsna zurückkehrte und ihre Aufmerksamkeit erneut auf sich lenkte.
    »Ich bin zumindest fest überzeugt davon, daß du ein Schützling der Götter bist«, entgegnete er lächelnd. »Aller Götter. Deswegen haben sie mich auch erleuchtet und mir mitgeteilt, ich solle nicht zulassen, daß du diese Gaben im Land der Rasna verschwendest.«
    Sorge wie Heiterkeit schwanden aus Ilians Gesicht. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, doch Arion hob die Hand.
    »Laß mich ausreden. Ilian, du brauchst deine Priester nicht mehr. Nicht hier, nicht in Ägypten, und nicht im Land der Rasna. Du brauchst dich nicht mehr selbst um deine Zukunft sorgen oder die deines Sohnes. Werde meine Frau, und er hat einen Vater so wie du einen Mann. Du kennst mich, und ich kenne dich. Ich glaube, wir könnten glücklich miteinander sein.«
    Sie wandte sich ab, und er sah, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten und dann wieder öffneten.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte sie, immer noch mit dem Rücken zu ihm.
    »Selbstverständlich ist es mein Ernst«, erwiderte Arion ein wenig gekränkt. »Glaub mir, ich habe alle die Vor- und Nachteile erwogen. Du magst eine Fremde sein, aber in Korinth kennt man dich inzwischen, und du hast einen guten Ruf. Dir fehlt eine Mitgift, doch du hast mir in meinem Handel mehr geholfen, als es eine gewöhnliche Brautgabe je könnte. Und dein Sohn ist der Freund meiner Söhne. Sie werden es nicht übelnehmen, ihr Erbe mit ihm zu teilen.«
    »Arion, du bist die Umsichtigkeit selbst«, antwortete sie kühl, »aber ist dir auch in den Sinn gekommen, daß ich bereits gebunden bin?«
    Darauf war er vorbereitet. »Der Mann hat dich verstoßen. Er will dich nicht mehr.«
    Von dieser Tatsache wußte er durch Prokne, die sie Remus entlockt hatte, obwohl der Junge es etwas anders ausgedrückt hatte. Gespannt wartete er darauf, ob Ilian leugnen oder zornig aufbrausen würde, doch Ilian tat nichts dergleichen. Statt dessen drehte sie sich wieder zu ihm um, und die Traurigkeit, die in ihren Zügen geschrieben stand, machte sein Herz schwer.
    »Ich spreche nicht von Faustulus«, sagte sie sachte. »Ich habe mich an das Schicksal gebunden, das ich den Göttern abverlangt habe. Sie fordern ihren Preis für ihre Gunst, Arion, und ihr Preis duldet kein Davonrennen im letzten Augenblick. Im übrigen sollte dir Faustulus eine Warnung sein. Er bot mir das gleiche wie du, weißt du, nur bestand sein Käfig aus Holz und nicht aus Gold. Am Ende haßte er mich dafür, daß mir das nicht

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