Die Söhne der Wölfin
doch sie fragte sich ein wenig schadenfroh, wie lange es dauern würde, bis er Ilian gegenüber ein paar unangenehme Fragen äußerte.
Arion war mit seinen Söhnen ebenfalls zu Proknes Gastmahl eingeladen worden, hatte jedoch dankend abgelehnt und es vorgezogen, statt dessen lieber selbst den Gastgeber zu spielen.
Er war nicht sicher, ob Ilian seiner Einladung Folge leisten würde; sie waren zwar nicht im Unfrieden auseinandergegangen, doch er hatte seit seinem Besuch nichts mehr von ihr gehört, was für gewöhnlich in Zeiten, während derer sie sich beide in Korinth befanden, nicht der Fall war.
Daß sie seine Einladung annahm war daher eine angenehme Überraschung. Natürlich würde es keine weiteren Gäste geben; seit die Priesterschaft Apollons ihre schützende Hand über Ilian hielt, wäre es eine schwere Beleidigung nicht nur ihrer Person, sondern auch Apollons gewesen zu implizieren, sie sei einer Hetäre gleichzustellen. Er verzichtete auch darauf, Musiker für diesen Abend anzuheuern, und wies seine Sklaven an, nur die Speisen zu bringen und danach sofort wieder zu verschwinden.
Ilian traf, wie es sich für eine Priesterin ziemte, mit verschleiertem Gesicht und in einem bescheidenen braunen Umhang ein. Als sie beides im Inneren seines Hauses jedoch abnahm, mußte Arion ein Grinsen verbergen. Sie hatte sich für diesen Abend in ägyptische Tracht gehüllt, in eines jener durchsichtigen Gewänder aus Byssus, dem feinen Stoff, den ohne Schaden zu transportieren so schwierig war, und nur das eng geknüpfte Netz aus blauen und roten Tonperlen, das sie darübertrug, ließ der Phantasie noch einigen Raum. Es war eine offensichtliche Herausforderung.
»Du wirst dich mit diesem Kleid nicht hinlegen können«, bemerkte er.
»Ich habe nicht die Absicht, mich hinzulegen«, entgegnete sie ruhig.
»Ich meinte, auf eine Sitzliege, zum Essen.« »Das meinte ich auch. Glaub mir, ich habe gelernt, in allen Stellungen zu essen. Im Stehen sollte es nicht weiter schwer sein.«
Arion schüttelte den Kopf und musterte sie, während er mit ihr zu dem Raum ging, wo seine Diener die Speisen aufgetischt hatten.
»Wer in Ägypten hat sich um alles in der Welt diese Art von Kleidern einfallen lassen? Ein Händler mit Tonperlen?«
Ilian hob die Schultern, und die Perlen klirrten ein wenig. »Ich gebe zu, es ist nicht eben bequem«, erwiderte sie, »und deswegen habe ich es bisher noch nie getragen. Es war ein Geschenk. Du wärst überrascht, was die Leute in Ägypten alles tun, um schön zu sein. Das«, schloß sie beiläufig, »war ein Hinweis für dich.«
Er lachte, trat ein wenig zur Seite und breitete die Arme aus, wie es die Händler taten, wenn sie eine Ware anpriesen.
»Wahrlich, meine Herrin aus den fremden Ländern, du erstrahlst heute im Glanz von tausend Sternen. Aber ich dachte nicht, daß du Wert auf die Meinung eines bescheidenen griechischen Seemanns legst.«
»Nun, du hast mich einmal mit der Gorgo verglichen, Arion aus Korinth«, gab Ilian zurück, und in ihren Augen tanzte der Schelm. »Seither lege ich Wert darauf, diesen Eindruck zu verwischen.«
Es dauerte einen Moment, dann fiel es ihm wieder ein. Den Vergleich hatte er gebraucht, als es um ihr Haar gegangen war. Als er ihr verboten hatte, es vor den Augen seiner Männer zu kämmen. Die Erinnerung an das seekranke, widerborstige Mädchen vertiefte sein Lächeln. Damals hatte er nicht geglaubt, sie nach der gemeinsamen Überfahrt noch einmal wiederzusehen. Inzwischen fragte er sich, wie sein Leben aussehen würde, wenn sie nicht mehr in unregelmäßigen Abständen darin auftauchte.
»Dein Sohn behauptet, daß ihr bald wieder eine Reise machen möchtet.«
»Das ist richtig«, bestätigte sie und schaute zu der Schale mit den sorgfältig in Würfel geschnittenen Honigmelonen, die unter anderen Gerichten auf dem Boden zwischen den Sitzliegen stand. »Du könntest deinem Gast etwas zu essen reichen, Arion«, fuhr sie neckend fort. »In diesem Kleid kann ich mich nicht bücken. Und ich bin wirklich hungrig.«
Zwei können dieses Spiel spielen, dachte Arion. Er hob die Schale vom Boden auf, trat näher und nahm eines der Melonenstücke in die Hand, machte jedoch keine Anstalten, es Ilian zu reichen.
»Wohin soll die Reise denn diesmal gehen?«
»In meine Heimat. Aber ich muß sagen, Arion, es ist sehr ungastlich, Nahrung nur gegen Auskünfte zu gewähren.«
»Ich bin eben ein Grieche«, entgegnete er. »Handel liegt uns im Blut.«
Ihre ausgestreckte
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