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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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als sie sich daraufhin noch fester an ihn drängte. In jedem Fall griff er nach ihren Händen an seinem Hals und machte sich los.
    »Es tut mir leid«, sagte er höhnisch, »aber du mußt dich anders unterhalten, Herrin. Mein Bedarf an Tusci-Gütern ist bereits gedeckt.«
    Er hatte erwartet, daß sie sofort nach den Wachen riefe, um ihn für diese Beleidigung prügeln zu lassen, doch statt dessen starrte sie ihn mit dem verwundeten Blick eines Kindes an, dem man ein Spielzeug weggenommen hat.
    »Oh«, sagte sie, und noch einmal: »Oh.«
    Es machte ihn zornig. Sie sollte sich nicht wie ein Opfer verhalten, sondern wie eine Wölfin. Er bereute, sich überhaupt mit ihr abgegeben zu haben. Sie war es nicht wert. Er hatte sich getäuscht; sie waren nicht verwandt. Sie war nicht ebenbürtig.
    Um den verletzten, für eine Frau wie sie völlig lächerlichen Kinderaugen zu entgehen, drehte er sich um und rief selbst nach den Wachen.

    Es war unverhältnismäßig warm selbst für diese Jahreszeit, fand Fasti, als sie von ihrer Novizin am Morgen des Gerichtstages geweckt wurde. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen; von ihrem Fenster aus konnte sie das zarte Morgenrot erkennen. Dennoch standen dem Mädchen, das respektvoll an ihrer Schwelle stand, unverkennbar kleine Schweißtropfen auf der Stirn, und Fasti begrüßte selbst dankbar die Schüssel mit kaltem Wasser, die ihr gereicht wurde. Sie hatte nicht gut geschlafen, und die nächtliche Hitze hatte in ihr oft das Bedürfnis geweckt, zum See zu laufen und sich abzukühlen. Natürlich war es undenkbar, für die Hohepriesterin ebenso wie für jede Frau ihres Alters. Das Alter war eine gemeine Falle, die einem die Götter stellten, denn gerade in solchen Nächten fühlten sich ihre Glieder noch jung an, jung genug, um zu laufen, zu rennen, all dem Unheil zu entgehen, das sie täglich näher und näher kommen spürte.
    Manchmal fragte sie sich, wann sie aufgehört hatte, all die Gerüchte darüber, wie die Götter sich von Alba Arnths wegen abgewandt hatten, als Gerede abzutun. Oh, sie glaubte noch immer, daß es sehr bewußt in Umlauf gebracht worden war. Nichtsdestoweniger steckte ein wahrer Kern darin. Wie sonst ließe es sich erklären, daß ein fähiger Mann wie Arnth dieses Gerede nicht im Keim erstickt hatte, daß so viele darauf hörten? Und warum war ein Wesen, dem sie selbst jeglichen göttlichen Schutz genommen hatte, nicht daran zerbrochen?
    Ilian, dachte Fasti ein ums andere Mal. Ilian, welch eine Hohepriesterin wärst du geworden. Warum nur, warum hast du uns all das angetan durch deinen Frevel?
    Sie hatte in der letzten Zeit so oft an Ilian gedacht, daß sie glaubte, ihr Verstand spiegele ihre Wünsche und Ängste wider, als sie ihren ersten Besucher empfing. Der Hohepriester Caths hatte ihr bereits gestern einen Boten geschickt, der höflich den Wunsch äußerte, die Edle Fasti möge den Edlen Apatru noch vor Beginn des Gerichtstages empfangen, und da sie sich fragte, was der alte Schurke im Schilde führte, wo sie sich während des Gerichts doch ohnehin sehen würden, hatte sie eingewilligt. Die Gestalt jedoch, die neben Apatru den Seitenflügel des Tempels betrat, in dem Fasti ihren Aufgaben nachkam, erkannte sie trotz des Schleiers um ihr Gesicht, und sie war sich mehrere Herzschläge lang sicher, daß es ein Traum sein mußte. Dann erhob sie sich aufgebracht und bedeutete der Novizin, die ihr in dieser Woche zugeteilt war, sie möge sich entfernen.
    »Apatru«, verkündete Fasti in ihrer eisigsten Stimme, als das Mädchen verschwunden war, »wie kannst du es wagen, eine in den Tempel Turans zu bringen, von der alle Götter ihr Antlitz abgewendet haben, eine, bei deren Verbannung du selbst zugegen warst, eine, die keinen Namen mehr hat?«
    »Nicht alle Götter«, erwiderte Apatru selbstgefällig. »Ich gebe zu, damals glaubte ich dir, als du mir sagtest, Turan verstoße sie als Frevlerin, zumal Cath sich mir nicht offenbarte. Der griechische Gott Apollon jedoch hat durch sein Orakel in Delphi ihre Unschuld bestätigt und sie vor aller Welt entsühnt.«
    »Apollon! Was scheren uns griechische Götter!«
    Ilian hob ihren Schleier, und Fasti erkannte, daß die Zeit aus dem Mädchen von einst jede Unsicherheit und Schwäche gebrannt hatte, bis eine Frau auf dem Höhepunkt ihrer Macht übriggeblieben war.
    »Fasti«, begann Ilian, und die überlegene Wärme ihres Tons war schmerzhafter, als es der trotzige Zorn des Mädchens je gewesen war, »Apollon ist nicht

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