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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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»Deinetwegen habe ich meine Bernsteinkette aus Gallien nicht bekommen.«
    Romulus erwiderte nichts, sondern nahm sie ausführlicher in Augenschein, was ihm einen weiteren Hieb einbrachte.
    »Sprich mit der Edlen Antho, wenn sie mit dir redet, Dieb!« rief sein Wächter.
    Die Edle Antho also. Nicht die Sklavin, die angeblich den neuen Sohn des Amulius zur Welt gebracht hatte, was seine erste Vermutung gewesen war, sondern die Tochter. Die Base seiner Mutter, die ihn soeben mit einem höchst unverwandtschaftlichen Blick musterte. Anders als Remus war er nicht von einer erfahrenen Kurtisane in die Liebe eingeführt worden, doch, stellte Romulus für sich fest, er erkannte eine Hure, wenn er eine sah.
    »Ich dachte, du wärst größer«, sagte sie.
    Er erinnerte sich an einiges, was Ilian ihm erzählt hatte, an einige der Scherze aus der Schenke in Xaire, und verzog den Mund zu einem winzigen Lächeln.
    »Nicht alles an mir ist klein.«
    Anthos Augen weiteten sich, und erst jetzt wurde ihm bewußt, daß er ihr fließend in der Sprache der Tusci geantwortet hatte. Weiber. Selbst die dummen veranlaßten einen zu Torheiten. Immerhin stand zu hoffen, daß der kleine Schnitzer seinen Wachen nicht sonderlich auffiel; im übrigen wäre es verfänglicher gewesen, wenn er Griechisch gesprochen hätte. Das andere ließ sich noch erklären, obwohl damit die geplante Überraschung für den Gerichtstag dahin wäre.
    »Der Mann kommt mit mir«, erklärte die Edle Antho, und seine Wächter protestierten, sie hätten Anweisung, den Räuber umgehend ins Gefängnis zu bringen.
    »Und das werdet ihr«, entgegnete Antho ungerührt. »Nachdem ich ihn in meinen Gemächern verhört habe.«
    An der Art, wie die Krieger die Augen gen Himmel rollten und gehorchten, erkannte Romulus, daß dies nicht der erste Vorfall dieser Art sein konnte. Anscheinend bekam Antho, was Antho wollte: Tusci. Man lieferte ihn mit Warnungen, sich - bei Androhung übler Folgen für das Gegenteil - gut zu benehmen, tatsächlich in einem Raum ab, der womöglich noch reicher ausgestattet war als der Rest des Palastes. Antho klatschte in die Hände, und eine Sklavin erschien, die rasch wieder verschwand, um mit zwei Bechern zurückzukehren. Danach zog sie sich sofort wieder zurück. Romulus wartete, bis Antho ihren Becher zum Mund führte, ehe er ebenfalls trank. Man hatte den Wein mit Honig und Binsen versetzt und mit weit weniger Wasser, als er es sich jemals geleistet hatte. Es schmeckte nicht schlecht, doch er beschloß, sich zurückzuhalten; er konnte es sich nicht gestatten, jetzt den Kopf zu verlieren.
    »Eine letzte Gnade für den Verurteilten?« fragte er. Antho lachte, doch ihre Antwort bewies, daß sie nicht so dumm war, wie er geglaubt hatte.
    »Gewiß. Mach keinen Fehler, Barbar, so gut, daß ich dir zur Flucht verhelfen würde, kannst du mir gar nicht gefallen. Aber wer weiß, vielleicht verkürzt du mir die Zeit angenehm genug, damit ich mich bei meinem Vater um Gnade bemühe.«
    Mit einem erneuten Schmollen fügte sie hinzu: »Er schuldet mir etwas. All die Jahre verspricht er mich bald diesem und bald jenem Verbündeten und verheiratet mich doch nicht, weil er darauf hofft, daß die alte Kuh sich eines Besseren besinnt, und dann geht er hin und setzt einen Jungen als Thronfolger in die Welt.«
    »Das muß ein langweiliges Leben für dich gewesen sein, Herrin«, sagte Romulus und fragte sich erneut, ob sie nun dümmer oder gerissener war, als es den Anschein hatte.
    »Meistens war es das. Ich beneide dich, weißt du? Du brauchst keine langweiligen Rituale über dich ergehen lassen, du nimmst dir einfach, was du willst«, schloß sie erwartungsvoll.
    Er erkannte die Aufforderung. Eigentlich begriff er nicht, warum er sich überhaupt auf das Spiel eingelassen hatte; sie war hübsch, gewiß, aber auch nicht unbedingt reizvoller als die Schenkenmädchen in Xaire, und sie mußte älter als die meisten von ihnen sein. So alt wie seine Mutter in etwa. Ja. Und, trotz ihrer so unterschiedlichen Art, sie hatte dasselbe Blut in den Adern, genau wie ihr Vater.
    Vielleicht ist es das, dachte Romulus, als er den Becher mit Wein zur Seite stellte und sie in die Arme schloß, grob, wie sie es erwartete; vielleicht möchte ich sie einmal schmecken, diese blutsverwandte Schlechtigkeit, bevor ich sie zerstöre . Er biß ihr die Lippen auf, als er sie küßte, schmeckte sein eigenes Blut, das sich mit ihrem vermengte, und wußte nicht, ob Ekel oder Erregung größer waren,

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