Die Söhne der Wölfin
einfach nur ein griechischer Gott. Er ist die Sonne, die Verkörperung Caths in seiner griechischen Form, und seine Diener sind auch Caths Diener. Freue dich mit mir, denn ich konnte ein Werk verrichten, das uns einander näher bringt. Sind wir nicht alle Diener der Götter?«
In Gedanken häufte Fasti Verwünschungen auf Apatrus glatzköpfiges Haupt. »Ah«, schnaubte sie, »Bestechung. Siehst du nicht, was sie tut, Apatru? Sie handelt mit dem Glauben an die Götter! Wenn du denkst, deine Unterstützung dieser Frevlerin brächte Cath mehr Ansehen und Macht in dieser Stadt, dann irrst du. Sollte sie wider Erwarten den Tag überstehen, ohne gesteinigt zu werden, dann kannst du dich glücklich schätzen, wenn der König der Priesterschaft Caths in Zukunft auch nur gestattet, Blumenopfer entgegenzunehmen!«
Apatru strahlte sie weiterhin an. »Teure Fasti, warum dieser Zorn? Man möchte meinen, du habest etwas zu verbergen.«
»Ja«, fiel Ilian ein und schenkte ihr ebenfalls ein Lächeln, in dem sich das tödliche Gift von Spinnen und Schlangen verbarg, »etwas wie dein Alter.«
»Mein Alter? Was hat mein...«
»Es bereitet mir immer großen Kummer«, unterbrach Apatru sie, »von Freveln durch die Diener der Götter zu hören. Deswegen war ich seinerzeit auch zu verstört, um Ilians Geschichte richtig zu würdigen. Aber nunmehr bin ich überlegter und greife nicht mehr gleich zum Stein, nur weil mir jemand erzählt, daß eine Priesterin sich inzwischen um zehn Jahre jünger macht.«
»Um zehn Jahre jünger macht? Wovon redest du? Ich bin keinesfalls...«
»... in dem Alter, in dem die Götter nicht mehr mit dir sprechen?« fragte Ilian. »Nein, Fasti, gewiß nicht. Sonst müßte man dich nicht nur deines Amtes entheben, sondern auch wegen deines Betrugs sofort aus der Stadt jagen, um nicht zu sagen, steinigen.«
Seit Ilian ihr von ihrer Schwangerschaft erzählt hatte, war Fasti nicht mehr so bestürzt gewesen. »Das ist eine Lüge«, stieß sie entsetzt hervor. »Damit würdet ihr niemals durchkommen.«
Doch sie wußte, daß sie Feinde hatte, die eine solche Behauptung nur zu gern ausnützen würden, um sie zu stürzen. Es gab niemanden aus ihrer Kindheit mehr, der ihr Alter hätte beschwören können. Ja, ihre mißtrauische Seele sagte ihr, daß vielleicht selbst Arnth diese Gelegenheit ergreifen würde, um endlich seine verwünschte Tochter an ihre Stelle zu setzen, ganz gleich, von wem das Gerücht ausging.
Apatru verschränkte die Arme ineinander. »Wie ich schon sagte - heutzutage höre ich nicht mehr gleich auf das, was man erzählt. Ich wäge alles erst ab.«
»Was willst du?« schnappte Fasti, immer noch bemüht, Ilian nicht öfter anzusprechen, als unbedingt nötig. Doch Apatru schaute zu der jüngeren Frau, die zu Fasti ging und ohne weiteres ihre Hände ergriff.
»Was die Götter wollen. Was sie schon einmal gewollt haben«, erklärte Ilian sanft. »Ein Opfer und einen neuen König.«
»Du bist wahnsinnig«, flüsterte Fasti, doch sie entzog Ilian ihre Hände nicht; es war, als habe sich Kraftlosigkeit in ihre Adern geschlichen, wie das Gift, das in Ilians so freundlich geäußerten Worten lag.
»Nein. Aber zu mir sprechen die Götter. Sie haben es schon immer getan, auch wenn du mir das nicht geglaubt hast, Fasti, in deinem Hochmut. Heute wird ein König zu Gericht sitzen - und gerichtet werden -, und du, Fasti, wirst wie alle anderen Hohepriester dafür stimmen, daß er sich dem Urteil der Götter stellt.«
»Apatru«, sagte Fasti beschwörend, »wir können den Tod des Königs nicht verlangen, ohne eindeutige Zeichen dafür empfangen zu haben.«
»Wir werden ein eindeutiges Zeichen empfangen. Einen Zweikampf, wie es früher bei uns Brauch war.«
Etwas verspätet fügten sich die einzelnen Bruchstücke in Fastis Kopf zu einem Ganzen zusammen. Der Viehdieb, über den sich die Kaufleute so ereiferten und der heute vor Gericht stehen sollte. Er wurde gar nicht weit entfernt von ihr gefangengehalten, unterhalb des Tempels; sie hätte ihn jederzeit sehen können. Doch Arnth hatte ihr nicht gesagt, daß an diesem Viehdieb etwas Besonderes war. Er mußte etwas ahnen; Arnth war genauso mißtrauisch wie sie, der Mann war ihm bereits vorgeführt worden, er mußte einen Verdacht hegen. Warum nur hatte er ihr nichts davon erzählt? Dann hätten sie sich vorbereiten können. Oder besser noch, warum hatte er den Kerl nicht verschwinden lassen oder entmannt wie die Söhne seines Bruders und in die Wildnis
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