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Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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nichts davon gesagt, weil du darauf bestanden hättest, selbst die Stelle der Göttin einzunehmen, und er dir nicht noch mehr Macht verschaffen wollte. Dann dachte er, das Geheimnis sei mit Clanti gestorben. Die Wahrheit begriff er erst, als er von meiner Schwangerschaft hörte, und wie wir alle wissen, war er so wenig gewillt wie du, Zeugnis für mich abzulegen.«
    Diesmal hörte Fasti, was sie nicht aussprach.
    »Ilian, du warst mir wichtig. Du warst meine auserwählte Nachfolgerin. Denken zu müssen, du habest all das fortgeworfen, hat mir das Herz gebrochen. Aber wichtiger waren mir das Wohl der Stadt und des Tempels. Wie hätte ich das allein gegen dein Wort setzen können?«
    »Ich weiß es nicht, Fasti, aber ich war damals töricht genug, anzunehmen, du würdest es tun. Denn siehst du, ich mag dir wichtig gewesen sein, aber du warst die Mutter für mich, mehr als es die Frau, die mich zur Welt gebracht hat, je sein konnte. Ich habe dich geliebt, und du warst bereit, mich umzubringen, genau wie Arnth, wenn ich euch nicht gehorcht hätte. Das war meine letzte Lektion darin, wie eine Mutter zu sein hat, und kein Tag ist besser geeignet als der heutige, um dir dafür zu danken.«
    »Was meinst du damit?«
    Zum ersten Mal während der Unterredung konnte Fasti erleben, wie Ilian ihre Beherrschung verlor.
    »Bist du immer noch blind?« stieß sie hervor und rang sichtlich um Atem. Doch so rasch, wie der Zornesausbruch gekommen war, legte er sich wieder, und zurückblieb nur Ilians glattes, ebenmäßiges Gesicht, so unbewegt wie das Antlitz der Göttin, vor dem sich Fasti erst vor einer Stunde verneigt hatte.
    »Was wird heute geschehen?« fragte Fasti, obwohl sie es bereits wußte, denn jedes Wort von Apatru und Ilian hallte noch immer in ihr wider.
    »Der Wille der Götter«, erwiderte Ilian. »Und du wirst ihre Zeugin sein.«
    Romulus wurden die zwei Tage, die zwischen seiner Ankunft in Alba und dem Morgen des Gerichtstags lagen, sehr lang. Das lag nicht zuletzt daran, daß er Fabius nicht wiedersah. Er sagte sich ständig, daß Fabius ein widerstandsfähiger Mann war und nichts wirklich Wichtiges wußte; sonst hätte er Fabius überhaupt nicht mitgenommen. Dennoch fiel es schwer, im Dunkel seiner Zelle die Ruhe zu bewahren, die ihm während der Unterredung mit dem König noch so selbstverständlich gewesen war. Die beiden Mitgefangenen, die wie er auf das Urteil des Königs warteten, halfen ihm nicht gerade dabei.
    Es handelte sich, so erfuhr er bald, um Mörder. Einfache Diebe wurden nicht an diesem Ort gefangengehalten.
    »Hierher kommst du nur, wenn du jemanden auf dem Gewissen hast«, sagte einer der Tusci, der redseligere von beiden, dessen weitschweifige Art das Gegenstück zum dumpfen Brüten des anderen darstellte. »Aber das hast du ja, wie? Hättest dich damit begnügen sollen, Vieh zu stehlen, mein Junge. Das ist man von Latinern gewöhnt, und es hätte dich nur deine Freiheit gekostet.«
    Da es sich ohne weiteres um Spitzel handeln konnte, war Romulus nicht gesonnen, mit ihnen mehr zu sprechen als unbedingt notwendig, doch sein abweisendes Schweigen zeigte keine Wirkung. Der Schwätzer malte ein paar mögliche Bestrafungen aus, eine abgehackte Hand oder, wenn die Familien der toten Krieger großen Einfluß besaßen, gar den Tod durch das Schwert.
    »Bloß eine Steinigung, an die glaube ich nicht. Sei froh. Daran muß man sich halten: Es gibt immer noch etwas Schlimmeres.«
    Er zeigte mit dem Finger auf ihren brütenden Mitgefangenen. »Wie das, was er mit seinem Weib getan hat. Sie hat es mit einem anderen getrieben, nun gut, da hätte es niemand unserem Unata hier übelgenommen, wenn er sie und den Kerl verprügelt und anschließend in die Wildnis geschickt hätte. Aber nein, er muß sie aufschlitzen, mit ihren Eingeweiden Ball spielen und sich auch noch dabei erwischen lassen.«
    »Und du?« fuhr der andere auf und verriet so, daß er dem Geschwätz offensichtlich doch gelauscht hatte. »Bringst deinen Schwiegervater um, nur um schneller an sein Gut zu kommen. Glaub nicht, daß es dir besser ergehen wird.«
    Erst nach endlosen Stunden derartiger ungebetener Auskünfte, in denen Romulus sich so gut wie möglich taub stellte, gab es der Schwätzer auf, ihn auf seine Seite ziehen zu wollen, nannte ihn einen blöden Bauern und stritt ohne den Umweg über einen Dritten weiter mit dem Mann, der seine Ehefrau ermordet hatte.
    Obwohl er es den beiden nicht eingestanden hätte, boten ihre Taten immerhin

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