Die Söhne der Wölfin
zurückgeschickt, aus der er gekommen war? Das Volk hätte sich schon beruhigt, auch wenn es um seinen großen Gerichtstag gebracht worden wäre. Der Viehdieb, das mußte Ilians Sohn sein, das verwünschte Balg, dessen Existenz all das Verhängnis ausgelöst hatte. Aber hatte Arnth nicht behauptet, es befinde sich, seinen Nachforschungen zufolge, mit seiner Mutter jenseits des Meeres? Arnth wurde nachlässig, Arnth wurde alt, und jetzt hatte Arnth sie in eine Lage gebracht, in der ein fleischgewordener Frevel König von Alba werden konnte.
»Du verlangst von mir, zuzulassen«, sagte sie zu Apatru, »daß eine Namenlose ihrem Sproß den Thron von Alba verschafft?«
Ilians Nägel gruben sich in ihre Handteller, und Fasti zuckte zusammen, doch Ilian ließ sie nicht los.
»Ich habe mir meinen Namen zurückgeholt, Fasti. Was von dir verlangt wird, ist nur das, was du schon vor Jahren hättest tun sollen, was deine Aufgabe als Priesterin ist: glauben. Mein Sohn ist der Sohn eines Gottes.«
»Aber wie soll das möglich sein?« fragte Fasti in einer Mischung aus Erbitterung und Erschöpfung, und Apatru schnalzte mißbilligend mit der Zunge.
»Teure Fasti, dir mangelt es wahrlich nicht nur am Glauben, sondern offenbar auch noch an Kenntnissen unserer alten Rituale. Nach all der Mühe, die du dir gegeben hast, um Turan zur obersten Schutzherrin der Stadt zu machen, sollte man erwarten, daß dir zumindest die heilige Ehe geläufig ist.«
Die Erkenntnis traf sie wie eine Ohrfeige, und sie spürte, wie sich jedes der vergangenen Jahre mit doppelter Grausamkeit auf ihren Körper zu senken schien und ihre Beherrschung auffraß. Es würgte sie in der Kehle, und verzweifelt griff sie nach ihrem alten Zorn wie nach einem Strohhalm.
»Du«, sagte sie zu Ilian, »du, eine Novizin, hast es gewagt, die heilige Ehe zu vollziehen, ohne mich auch nur zu fragen?«
In Ilians Gesicht las sie zu ihrer Überraschung keinen Triumph, sondern Resignation. »Du hättest es mir nicht gestattet, Fasti, ganz gleich, wie sehr die Götter danach verlangten. Schau dich doch an. Du bist dir immer noch sicher, daß den Willen der Götter nur du kennst, und du hast nie auch nur in Erwägung gezogen, daß ich mein Gelübde aus anderen Gründen als törichter Lust aufgegeben haben mochte. Daß ich die Wahrheit sagen könnte. Ich gebe zu, auch ich habe meine Glaubensprüfung, der du mich danach unterzogen hast, nicht bestanden. Aber das ändert nichts daran, daß du zuerst gefehlt hast.«
»Aber es war nicht nötig«, murmelte Fasti. »Die Göttin, die Stadt, sie waren auch so auf seiner Seite.«
»Waren sie das? Ich habe die Zeichen damals gedeutet, Fasti, gemeinsam mit dir. Du hast den tiefen Riß auch gesehen. Bruder gegen Bruder, die Verweigerung des Opfers, eine gewaltsam herbeigeführte Zeitenwende. Aber du dachtest, es genüge, ein paar Vorteile für den Tempel herauszuschlagen und im übrigen darauf zu vertrauen, daß Arnth besser rechnen könne als Numitor. Und du hast die Stirn, mir vorzuwerfen, daß ich mit den Göttern handele? Ich habe es mir verdient. Ich habe mich ihnen unterworfen damals, um die Heilung herbeizuführen. Zwischen der Stadt und der Eroberung, Göttern und Menschen. Ich habe mich selbst zum Opfer gemacht und die Göttin in mich aufgenommen, um den Gott zu empfangen, so wie es uns überliefert wurde. Es hätte Clanti sein sollen, weißt du? Das einzige andere Mädchen, das in ihrer Ausbildung so weit fortgeschritten war wie ich. Sie hat er gefragt, und sie hat sich mir anvertraut, weil sie nicht wußte, ob sie es hinter deinem Rücken tun sollte. Aber an dem entscheidenden Tag glitt sie auf der Treppe aus, fiel auf eine Stufe und brach sich das Genick, und ich wußte, daß ich keine andere Wahl hatte, als selbst die Maske der Göttin zu tragen, wenn die Stadt geheilt werden sollte.«
Der Hohepriester Caths lächelte nicht länger, und Fasti erkannte keine Selbstgefälligkeit auf seinen Zügen mehr, sondern nur noch tiefen Ernst.
»Es mag unüberlegt gewesen sein, Fasti«, bemerkte er, »doch es war richtig. Es hätte die Heilung bringen können, und daß dem nicht so war, daß die Götter immer noch erzürnt sind und Alba erneut vor dem Abgrund steht, verdanken wir einzig dir und Arnth.«
»Er hätte es mir sagen sollen«, entgegnete Fasti fassungslos. »Es wäre seine Pflicht gewesen. Ihm hätte ich geglaubt.«
»Mir dagegen nicht«, stellte Ilian fest, schüttelte den Kopf und ließ sie los. »Fasti, zuerst hat er dir
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