Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Söhne der Wölfin

Titel: Die Söhne der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
tributpflichtig?«
    »Keinem von beiden. Wir sind frei.«
    »Wenn ihr jetzt noch frei seid, dann vermutlich nur, weil euch keiner von beiden haben will, und das bedeutet, daß es ein armes Land sein muß, ein bedeutungsloses Land.«
    »Gewiß«, entgegnete Ilian und preßte ihre Handflächen in einer Geste des Respekts gegeneinander, »ist es nicht zu vergleichen mit dem herrlichen Ägypten. Deswegen finden dort auch kaum Kriege statt, und wir müssen uns nur ab und zu vor Piraten fürchten, nicht jedoch vor fremden Armeen. Das gibt uns die Zeit, um die Schwierigkeiten anderer Länder zu studieren, auf daß wir ihnen ausweichen können, sollte es den Göttern jemals einfallen, uns mehr zu begünstigen und zu einem bedeutenderen Land zu machen.«
    Der Haushofmeister, der die ganze Zeit über mit ausdruckslosem Gesicht dabeigestanden hatte, das Ulsna nicht verriet, ob auch er des Griechischen mächtig war, zuckte erstmals leicht zusammen, als seine Herrin den Kopf zurückbog und lachte.
    »Deine Mutter hat sich mit einem Skorpion gepaart«, sagte sie dann, und in ihrer kühlen, gelassenen Stimme lag nicht die geringste Heiterkeit mehr. »Doch du könntest in der Tat nützlich sein. Wir werden sehen.« Sie wies mit dem Kinn auf Ulsna. »Was ist mit ihm? Will er sich mir ebenfalls für zwei Jahre verkaufen, oder erwartet er, daß ich ihn für seine Dienste bezahle?«
    Ilian zögerte, und die Ägypterin setzte scharf hinzu: »Ich gehe davon aus, daß er unsere Sprache nicht besser beherrscht als du. Für griechische Lieder zu bezahlen kommt mir nicht in den Sinn. Wenn er nicht auch einen Vertrag schließen will, dann möge er auf der Stelle verschwinden.«
    »Ich bleibe«, hörte Ulsna sich sagen und war sich bewußt, dabei etwas heiser zu klingen. Er hatte seinen Entschluß schon vorher gefällt, Ilian und er hatten darüber gesprochen, und dennoch spürte er einen Hauch von Überraschung in sich, als habe ein Teil von ihm erwartet, es sich zu guter Letzt noch anders zu überlegen.
    »Gut«, meinte die Ägypterin, ohne einen weiteren Blick an ihn zu verschwenden. »Ich kann keine Halbheiten ausstehen.« Sie verschränkte die Arme ineinander und schloß: »Ihr werdet alle beide noch lange Zeit haben, um das herauszufinden.«

    Um sich selbst als Sklave zu verkaufen, so fand Ulsna heraus, ging man zu einem weiteren großen Gebäude, das als »Haus des Lebens« bezeichnet wurde, und schloß einen Vertrag, den Ilian nicht lesen konnte, weil er nicht in griechischen Zeichen verfaßt war. Das hieß, er und Ilian gingen , die Herrin Nesmut wurde in ihrer Sänfte von vier schwarzen Sklaven getragen . Erst nachdem er einige Zeit in Ägypten verbracht hatte, wurde Ulsna klar, daß Nubier als Sklaven zu halten unter der Herrschaft eines nubischen Pharao eine provozierende Geste von seiten der Herrin Nesmut war. An dem Nachmittag, an dem er und Ilian aus Gründen, die ihm selbst nicht ganz klar waren, ihre Freiheit verkauften, versuchte er nur, sein unverhohlenes Staunen zu unterdrücken, denn er hatte noch nie zuvor einen schwarzen Menschen gesehen. Die Ägypter hier hatten ohnehin eine ungewohnt dunkle Hautfarbe, wie er sie weder von den Griechen noch aus seiner Heimat kannte, doch diese ebenholzglänzende Schwärze war ihm neu.
    In dem Stimmengewirr, das sie umgab, während sie versuchten, mit der Sänfte Schritt zu halten, verstand er nur Bruchfetzen und begriff, daß die Seeleute, von denen er und Ilian gelernt hatten, sehr langsam geredet haben mußten. Der Sprachrhythmus war ein ganz anderer als in den Sprachen, die ihm vertraut waren, und er kam sich vor wie damals, als er die ersten Versuche machte, mit ungeübten, ungelenken Fingern die Saiten einer Harfe zu schlagen und nur Mißtöne erzeugte. Er war dankbar, als sie endlich im »Haus des Lebens« ankamen und wieder von Schweigen umgeben waren.
    Der Schreiber, den Nesmut kommen ließ, um ihre Verträge aufzusetzen, rümpfte die Nase, als Ilian ihn in einem sorgfältigen Versuch, Ägyptisch zu sprechen, fragte, ob er auch eine griechische Abschrift erstellen könne, und erwiderte im verächtlichen Tonfall etwas, von dem Ulsna nur die Worte »hohe Kunst« und »Kritzelei« und »herablassen« ausmachte. Wie auch immer, es klang nach einer Weigerung. Ulsnas Meinung nach war es nur allzu wahrscheinlich, daß der Pinsel, den der Schreiber in diverse Töpfchen tauchte und über den Papyrus schwingen ließ, sie zu 99 Jahren, nicht zu zweien, verdammte, doch für ihn lief es im

Weitere Kostenlose Bücher