Die Söldner von Dorsai (Dorsai 1)
sauberes Weinglas vor ihn hinstellte und aus der Flasche mit der kanariengelben Flüssigkeit einschenkte. „Nur wird langfristig weder die Koalition noch die Allianz gewinnen.“
„Das ist eine schwerwiegende Feststellung, Oberst“, bemerkte deCastries. „Außerdem riecht es ein bißchen nach Hochverrat. Ich meine diesen Ausspruch über die Allianz –, aus dem Munde eines Offiziers der Allianz.“
„Meinen Sie wirklich?“ sagte Cletus lächelnd. „Ist hier vielleicht jemand, der das melden möchte?“
„Möglicherweise ja.“ DeCastries’ Stimme klang plötzlich eiskalt. „Übrigens ist es außerordentlich interessant, Ihnen zuzuhören. Wie kommen Sie darauf, daß weder die Allianz noch die Koalition bei den Kolonien auf Kultis das Sagen haben wird?“
„Die Gesetze der geschichtlichen Entwicklung“, sagte Cletus, „arbeiten auf ein solches Ziel zu.“
„Gesetze“, meinte Melissa Khan zornig. Die Spannung, die sie während der Unterhaltung gespürt hatte, war unerträglich geworden. „Warum denken alle“ – und sie schenkte ihrem Vater einen kurzen, fast erbitterten Blick –, „daß es eine Reihe von nicht praktizierbaren Prinzipien, Theorien oder Codes gibt, denen sich jedermann zu fügen hat? Es sind doch die Leute der Praxis, die die Ereignisse lenken! Heutzutage ist man entweder praktisch veranlagt, oder man kann gleich einpacken.“
„Melissa“, meinte deCastries und lächelte ihr zu, „hat etwas für praktische Menschen übrig. Ich fürchte, ich muß ihr zustimmen. Die praktische Erfahrung funktioniert fast immer.“
„Im Gegensatz zu irgendwelchen Theorien, Oberst“, warf Pater Ten spöttisch ein, „im Gegensatz zu irgendwelchen Schreibtischtheorien. Warten Sie nur, bis Sie unter die praktizierenden Offiziere im Dschungel von Neuland-Bakhalla geraten, bis Sie an einem praktischen Feuergefecht teilnehmen können und bis Sie entdecken, was der Krieg wirklich bedeutet. Warten Sie nur, bis die ersten Energieladungen über Ihren Kopf hinwegpfeifen, und Sie werden bald erkennen …“
„Er trägt die Ehrenmedaille der Allianz, Herr Ten.“
Die Worte des Eachan Khan schnitten die Tiraden des kleinen Mannes wie eine Axt ab. Und im allgemeinen Schweigen deutete Eachan mit seinem braunen Zeigefinger auf die weißgoldene Ordensspange, die Cletus’ Jacke zierte.
2
Am Tisch herrschte einen Moment Stille.
„Oberst“, fragte Eachan, „was ist mit Ihrem Bein?“
„Ich trage eine Prothese unterhalb des Knies“, erwiderte Cletus mit schiefem Lächeln. „Eigentlich recht bequem, doch beim Gehen kaum zu übersehen.“ Er schaute auf Pater Ten. „Herrn Tens Ansichten über meine praktische Erfahrungen beim Militär sind gar nicht so abwegig. Ich war nur drei Monate im aktiven Dienst, und zwar während der letzten Auseinandersetzung zwischen Allianz und Koalition, die vor sieben Jahren auf der Erde stattgefunden hat.“
„Doch diese drei Monate wurden durch die Ehrenmedaille gekrönt“, sagte Melissa, wobei sie ihn jetzt ganz anders anschaute als vorhin. Dann wandte sie sich plötzlich an Pater Ten. „Ich glaube, diese Tatsache gehört zu den wenigen Dingen, über die Sie nicht Bescheid wissen.“
Pater Ten schenkte ihr einen haßerfüllten Blick.
„Wie steht’s damit, Pater?“ murmelte deCastries.
„Da war einmal ein Leutnant Grahame vor sieben Jahren, der von der Allianz ausgezeichnet wurde“, spuckte Pater Ten aus. „Seine Division landete auf einer Pazifikinsel, die von unseren Garnisonen besetzt war. Die Division wurde umzingelt und abgeschnitten, aber Leutnant Grahame brachte es fertig, eine Guerillatruppe
Weitere Kostenlose Bücher