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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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das Unglück mit dem Licht ist ja nun schon gut acht Monde her. Diese Überlebenden halten sich an einem Ort auf, der wohl einstmals eine Behausung der Affenmenschen war, jedoch seit dem Feldzug verlassen ist. Sie haben dort Wasser und Schlangen als Nahrung, aber sie sind dennoch schwach, hungern und brauchen Hilfe. Onjalban ist der Einzige von ihnen, der sehen kann und sich deshalb im Gelände frei bewegt.«
    »Ich verstehe nicht, weshalb er sich nicht früher der Kompanie Hauptmann Gollbergs zu erkennen gegeben hat«, wunderte sich Fenna. »Wenn Ihr schon mehrmals seine Spuren gefunden habt, müsst Ihr doch bereits innerhalb seines Reviers gewesen sein.«
    »Er sagt, er habe Streifzüge unternommen, um zu jagen, und uns niemals gesehen. Das ist glaubhaft. Die Spuren, die wir fanden, waren niemals tagfrisch, sondern stets schon etwas älter.«
    »Aber warum hat er nie den Versuch unternommen, nach Süden oder nach Westen zu gehen und Hilfe zu holen? Acht Monde lang nicht? Der Fußmarsch kann doch höchstens eine bis zwei Wochen dauern?«
    »Er sagt, die anderen Überlebenden seien auf seine Hilfe angewiesen. Blinde können keine Schlangen fangen. Wenn er sie verlassen hätte, wären sie verhungert.«
    »Also blieb er bei ihnen. Und wie verlief Eure Begegnung mit ihm? Hat er Euch die anderen Überlebenden gezeigt?«
    »Leutnant Fenna, vielleicht ist es einfacher, wenn Ihr uns weiterhin der Reihe nach erzählen lasst, so wie das allgemein bei einer militärischen Inkenntnissetzung üblich ist«, sagte Hauptmann Gollberg mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln.
    »Verzeihung, Herr Hauptmann. Ich wollte nicht …«
    »Schon gut. Ich verstehe Euer Interesse und weiß es zu schätzen. Der Reihe nach.« Gollberg atmete tief durch, als müsste er nun etwas vor sein geistiges Auge rufen, das ihn verwundet hatte. »Als wir ihn sahen, oben als Umriss auf einem Hügelkamm, befanden wir uns schon am äußeren Rand unseres Aktionsradius. Und er floh vor uns. Später erzählte er mir, er hätte Affenmenschen gesehen, die auf Pferden ritten, oder besser: auf Einhörnern. Auf Kriegseinhörnern. Er hielt uns zuerst für Affenmenschen. Er flüchtete, doch ein Zug meiner Kompanie konnte ihn aufgreifen. Dabei wurde Onjalban jedoch bedauerlicherweise in Mitleidenschaft gezogen. Den ersten Tag unseres Rückrittes über war er nicht ansprechbar. Erst als wir nur noch einen Tagesritt von der Festung Carlyr entfernt waren, erfuhr ich von ihm, dass wir dicht davor gewesen waren, sechsunddreißig weitere Überlebende zu bergen. Ich habe mir natürlich große Vorwürfe gemacht. Ich wollte umkehren. Aber meine Soldaten und Pferde waren erschöpft, am Ende. Es wäre nicht zu machen gewesen. Und dann kam noch hinzu: Wie sollten wir die Überlebenden transportieren? Hinten aufsitzen lassen auf ohnehin schon müden Pferden? Sechsunddreißig Mann? Auf nur dreißig Pferden? Nein. Ich entschied, dass wir zur Festung zurückkehren, um uns hier zu verstärken.«
    Fenna begriff jetzt endlich. Da war dieser Offizier, der sich seit über einem halben Jahr bei seinem Vorgesetzten den Ruf eines Besessenen einhandelte, weil er felsenfest davon überzeugt war, dass es im Feindesland noch überlebende Menschen gab – und dann war er kurz davor, alle seine Theorien im Triumphzug zu beweisen, und scheiterte an der Kleinigkeit, dass sein lange ersehnter Hauptzeuge zu lange schwieg. Aber Gollberg war nicht gescheitert. Er hatte Onjalban gefunden. Und seinen Theorien dadurch ein Gesicht und einen Namen verliehen.
    »Affenmenschen auf Einhörnern?«, fragte Gyffs staunend. »Nie hätte ich für möglich gehalten, dass sie … reiten können.«
    »Wir auch nicht«, gab Oberst Jenko zu. »Es gibt keinen einzigen Bericht eines Feldzugsrückkehrers, der dergleichen enthält. Andererseits hat ja auch keiner der Feldzugsteilnehmer beinahe ein ganzes Jahr im Feindesland verbracht. Onjalbans Wissen kann für uns alle unschätzbar sein.«
    »Folgendes wollen wir nun tun.« Hauptmann Gollberg räusperte sich. »Wir haben den heutigen Tag genutzt, um aus den umliegenden Dörfern ein Dutzend frischer Pferde und zwei Planwagen zu requirieren. Wir bilden zwei Trupps. Einen schnellen auf Pferden, der, von Onjalban durchs Gelände geführt, den Aufenthaltsort der Überlebenden ausfindig macht und sichert. Onjalban sprach davon, dass sich ab und zu Affenmenschen dort herumtreiben, aber nie viele, nie mehr als zehn oder zwanzig auf einmal. Es kann also durchaus sein, dass der Ort

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