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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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beruhigt bezeichnet werden kann, werden wir Euch mit den Überlebenden ein Stück weit entgegenkommen, weil wir jagen können und Proviant bereitstellen. Das geht aber natürlich nur, wenn die Blinden überhaupt noch in der Lage sind zu gehen oder unsere Pferde noch ausgeruht genug, den einen oder anderen mitzutragen. Falls wir Euch nicht entgegenkommen, müsst Ihr eben bis zum Zielpunkt fahren. Wir werden darauf achten, dass wir die Spur durch Gelände legen, das für Planwagen passierbar ist. Voraussichtlicher Zeitumfang der Mission Augenlicht : sechs Tage hin, sechs Tage zurück. Die Leitung der Mission übernehme selbstverständlich ich selbst, wobei Ihr beide Eure Kompanie in Eigenverantwortung und im Sinne der Mission koordiniert. Gibt es noch Fragen?«
    »Nein, Herr Hauptmann«, sagte Fenna eifrig.
    »Nein, Herr Hauptmann«, sagte Gyffs nachdenklicher.
    »Dann setzt Eure Männer jetzt in Kenntnis.«
    Fenna und Gyffs erhoben sich, salutierten und verließen den Raum.
    » Mission Augenlicht «, murmelte Gyffs unten auf dem Hof. »Wer denkt sich so was bloß aus?«
    »Hauptmann Gollberg natürlich. Das Ganze ist sein Ding. Er öffnet allen Blinden des Kontinents die Augen.«
    »Und du bist ganz begeistert, ja?«
    »Ich finde, es ist das Beste, was uns passieren konnte. Wenn wir nicht so schnell wie möglich wieder dort rausgehen und uns dem Land stellen, wird der Schock über das, was mit Garsid geschehen ist, immer größer werden. So groß, dass er eines Tages wie ein Berg zwischen uns und dem Land steht. Wir müssen in den Nahkampf gehen, Loa. Nur so kommen wir darüber hinweg.«
    Gyffs schwieg. Zwei Sandstriche später fragte sie, scheinbar völlig aus dem Zusammenhang gerissen: »Ein Zusammenhalt, der Opferbereitschaft nicht nur ein-, sondern auch ausschließt? Was zum Geisterfürsten hat er denn damit nur gemeint?«
    Fenna lächelte. »Ich kann es schwer in Worte fassen, aber ich glaube, ich habe verstanden, was er sagen wollte. Opferbereitschaft wird vorausgesetzt, sollte aber nicht vonnöten sein. Schwer zu erklären. Wenn alle gleichzeitig ein Opfer bringen, muss keiner mehr eins bringen, das zu schwer für ihn ist.«
    »Verstehe«, schwindelte Gyffs, um der Diskussion ein Ende zu machen.
    Sie beraumten eine außerordentliche Versammlung der Dritten Kompanie in der Mannschaftsmesse an. Einige der Männer hatten schon geschlafen, aber keiner war betrunken, denn immerhin war morgen ein ganz normaler Tag mit ganz normalem Frühappell und Übungen geplant gewesen.
    Die beiden Leutnants informierten ihre elf anwesenden Soldaten – Korporal Kindem war immer noch im Lazarett und sollte auch dort bleiben – über die morgen in der Dämmerung beginnende Mission.
    Die Reaktion der Männer war eindeutig: Sie alle bekamen es mit der Angst zu tun. Fenna sah nackte Angst, beunruhigte Angst, verdrängte Angst, Angst, die uneingestanden blieb, Angst vermischt mit der Wut der Empörung, Vorstufen der Todesangst, Angst, dass dies kein Albtraum und kein Scherz, sondern die Wirklichkeit war. Sogar Korporal Deleven bekam schmale Lippen. Von den Holtzenauen, Behnk und Ekhanner wurden fahl und beinahe durchscheinend: Man konnte das Blut in ihnen flüchten sehen. Einzig »Scheusal« Kertz grinste vor sich hin. Fenna fragte sich, ob dieser Mann einfach nur keine Furcht kannte oder vielmehr nicht ganz richtig im Kopf war. Aber er durfte nicht zu lange über diese Ausnahme nachdenken. Er musste den anderen in die Gesichter sehen.
    Und er sah: Wir sollen schon WIEDER dort hinaus? Dorthin, wo wir Garsid verloren haben und Kindems Arm? Das ist doch erst wenige Tage her! Warum jetzt? Warum wir? Warum wir schon WIEDER ?
    Und dann: Wir sollen NOCH WEITER hinein in diese Hölle? Sechs Tage diesmal statt drei? Doppelt so tief? Doppelt so schrecklich? Doppelt so viele Ungeheuer, die uns fressen und zerfetzen und mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen?
    Und als Chor: Warum wir? Warum wir schon WIEDER ? Warum wir schon WIEDER DOPPELT SO WEIT HINEINGESCHLEUDERT IN DAS GRAUEN ?
    »Dem einen oder anderen von euch mag es so vorkommen«, versuchte Fenna die allgemeine Furcht und auch seine eigenen Gedanken in Bahnen zu lenken, »dass dieser Auftrag genauso beschaffen ist wie unser letzter und uns somit als Kompanie wenig Wissen, Nutzen und Dazulernen einbringen wird. Aber das ist nicht richtig. Die Grundelemente mögen zwar ähnlich sein – erneut geht es um Planwagen voller Proviant, und erneut geht es in dieselbe Richtung nach Norden –,

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