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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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sich wahrhaftig verbessert hatte. Der sich über seine Möglichkeiten und Fähigkeiten klar geworden war und sich nun in der Lage sah, Verantwortung zu übernehmen und hilfreich einzugreifen. Er schmerzte Fenna am meisten. Dass er sich freiwillig gemeldet hatte. Wo er doch in der Festung und außerhalb, in der Welt, in der es ein Chlayst gab, so vieles hätte ausrichten können. Was war denn die Mission Augenlicht angesichts einer Stadt wie Chlayst? Nur eine Eitelkeit. Der Größenwahn eines einzelnen Hauptmanns, der vom Feindesland in einer ihm angemessenen Härte bestraft wurde.
    So rollten sie dahin durch das klebrige Gelb, folgten der Spur eines einzelnen Flüchtlings und dem Phantom einer Kompanie.
    Und dann endete es.
    Im Sand voraus bildeten sich Konturen.
    Ohne Bewegung. Die Konturen wuchsen, weil die Kolonne der drei Wagen sich bewegte.
    Zuerst sah es aus, als wäre dort vorne ein gigantischer schwarzer Drache gelandet. Die Männer hielten den Atem an.
    Dann spaltete der Drache sich auf.
    Es war eine Gesteinsformation, schwarz und unwirklich inmitten des gleichmachenden Gelbs. Die Sonne neigte sich bereits kurzatmig dem Abend zu. Die Steine warfen also Schatten, die ihre Höhe noch übertrafen.
    Einer der Steine war keiner. Es war Onjalban, der beschriftete Mann. Er saß auf einem Tier, wie es selbst in der Bebilderthen Encyclica unserer Thierwelt nirgends verzeichnet war. Ein Einhorn womöglich. Aber genauso gut konnte es eine schlanke Kreuzung aus einem Panzerlöwen und einem Pferd sein. Das Tier besaß ein langes zotteliges Wüstenfell und panzerartige Verhärtungen an Flanken, Schläfen und Stirn.
    Onjalban hob wie grüßend eine Hand.
    Die Hand, die sich erhebt, muss herunterkommen.
    Die Hand senkte sich wieder. Es war tatsächlich nur ein Gruß.
    Die Wagen ruckelten näher. Sand knarzte in den Radnaben.
    Vier der schwarzen Felsen trugen weiße Flecken. Diese weißen Flecken waren Menschen. Die Dritte Kompanie erkannte Hauptmann Gollberg und drei der Frauen aus seiner Einheit. Alle vier waren nackt und mit den Köpfen nach unten an den Felsen befestigt – aus dieser Entfernung war noch nicht zu erkennen, wie. Fesseln oder Schnürungen waren jedenfalls keine zu sehen. Die vier lebten noch, denn ihre geschundenen Leiber und ihre geröteten Köpfe zuckten und wanden sich.
    Gyffs ließ anhalten. Sie konnte und wollte nicht mehr weiter. Kein einziger militärischer Befehl, der einer solchen Situation angemessen war, fiel ihr ein. Die Männer zogen ihre Waffen, die drei Schützen legten ihre Bögen an, niemand verließ seinen Platz. Die Wagen standen dicht an dicht wie furchtsame Rinder. Die Pferde nickten nervös mit den Köpfen und zerrten leise an ihren Geschirren.
    Niemand tat etwas, obwohl jedem die Hände zitterten.
    Fenna und Gyffs wechselten einen kurzen Blick. Sie nickte. Er stieg ab und ging zu Fuß näher an die Felsen heran.
    Er war der Befehlsverweigerer. Er war derjenige, der etwas gutzumachen hatte.
    Wind kam auf und ließ Onjalbans lange Haare und seinen verwilderten Vollbart wehen. Zwischen den Haaren sah das Gesicht des Magiers ausgesprochen heiter aus. Fenna betrachtete Onjalbans Hände. Es stimmte, was Yinn Hanitz im Fieberwahn vorausgesehen hatte: Die Hand ist ohne Schrift . Vielleicht die einzigen Körperteile Onjalbans, die keine verschnörkelten Buchstaben und Zeichnungen aufwiesen, waren seine Hände.
    Fennas Schritte knirschten wie durch Schnee. Was ist das nur für ein merkwürdiger Sand? Oder ist es gar kein Sand, sondern eher eine Art … Knochenmehl?
    Er hatte eine Ahnung, wie die Gefangenen an den Felsen befestigt worden sein könnten, noch bevor er es mit seinen eigenen Augen bestätigt fand. Haken. Schwarze Haken aus Stein, gewachsenen Dornen gleich. Die Haken waren Bestandteile der Felsen, Requisiten einer womöglich uralten Opferstätte. Und es war kein einziger Tropfen Blut zu sehen.
    »Vielleicht ein Wort zur Erläuterung vorneweg, Soldaten«, sagte der Magier. Zum ersten Mal hörten sie seine Stimme. Sie klang erstaunlich weich. »Ich bin kein Verräter. Im Gegenteil. Ich bin von der Königin und ihren Schergen gegen meinen Willen gezwungen worden, an einem absurden Feldzug teilzunehmen. Niemals war ich Soldat oder habe mich als einer gefühlt. Ich hatte in Wandry eine Frau und ein kleines Kind und wollte nichts anderes, als mein Leben in Ruhe mit meiner Familie in meiner Heimat zu verbringen. Aber meine Fähigkeiten wurden als kriegswichtig eingestuft. Irgendjemand in

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