Die Soldaten
heute Nacht verrecken müssen, weil wir sie deinetwegen nicht finden konnten! Leutnant Fenna? Ich erwarte, dass Ihr diesen Mann bestraft!«
»Er … ist nicht vereidigt, Hauptmann. Streng genommen kann ich ihn nicht bestrafen.«
»Seit wann können wir Zivilisten nicht bestrafen, die unsere militärischen Unternehmungen sabotieren? Ihr scherzt wohl, Leutnant Fenna! Zwanzig Peitschenhiebe für diesen Frechling, und zwar unverzüglich, wenn ich bitten darf!«
»Das werde ich ganz bestimmt nicht tun.«
»Verweigert Ihr etwa einen direkten Befehl?«
Fenna nahm unwillkürlich Haltung an. »Wenn Ihr mir befehlt, den Mann zu bestrafen, muss ich die militärische Abfolge einhalten, ein Militärgericht beantragen und seinen Fall vorbringen. Erst nach einer ordentlichen Aburteilung kann der Delinquent …«
Gollberg ließ Scapedo los und näherte sich Fenna, bis sie beide sich beinahe berührten. »Ich habe Euch einen direkten, verhältnismäßig einfach zu verstehenden Befehl gegeben, Leutnant Fenna.«
»Ich habe den Befehl verstanden, Hauptmann Gollberg. Ich kann ihn nicht in der gewünschten Unverzüglichkeit ausführen, werde mich jedoch bemühen, so schnell wie möglich ein Militärgericht zusammenzurufen und …«
Gollberg schlug Fenna ansatzlos die lederbehandschuhte Faust ins Gesicht. Fenna taumelte nach hinten, versuchte sich abzufangen, doch für einen winzigen Moment wurde ihm schwarz vor Augen und er stürzte. Seine Männer sahen, wie ihr Leutnant sämtliche gestrigen Regeln des koordinierten Fallens missachtete.
Die Festung drehte sich, kippte kurzzeitig sogar hochkant, doch Fenna rappelte sich wieder auf. Er ärgerte sich. Hätte er den Schlag kommen sehen oder auch nur im Mindesten erwartet, hätte der Hauptmann ihn niemals so hart treffen können. Gollberg schlüpfte näher, und Fenna wollte schon beide Fäuste hochnehmen, um einen zweiten Angriff abzublocken, aber zu seiner erneuten Überraschung hielt der Hauptmann ihm diesmal nur die Hand hin. »Tut mir leid, Leutnant, ich habe mich wohl gehen lassen. Ich bin angespannt von den Strapazen des gefährlichen Rittes. Alles in Ordnung mit Euch?«
»Ja, Hauptmann. Alles in Ordnung.« Ohne Gollbergs Hand zu ergreifen, richtete Fenna sich wieder vollständig auf. Die Hand des Hauptmanns verschwand hinter dessen Rücken.
»Na fein. Dann bereinigen wir jetzt die Sache. Eure unverschämte Insubordination ist durch meinen gleichfalls unentschuldbaren Ausbruch egalisiert worden. Und lassen wir diesen mühseligen Unfug mit dem Militärgericht. Entfernt das gallikonische Subjekt einfach ein für alle Mal aus unserer Festung, und die Angelegenheit ist erledigt. Verstanden?«
»Verstanden. Bis auf eine Kleinigkeit, Herr Hauptmann.«
Gollberg ächzte. »Was denn noch, bei den Göttern?«
Fenna bemühte sich, so deutlich wie möglich zu sprechen. Seine gesamte untere Gesichtshälfte schmerzte, fühlte sich gleichzeitig aber auch taub und fremd an. Der kleine Hauptmann hatte einen ganz beachtlichen Bums in den Fäusten. »Ich muss leider auf Satisfaktion bestehen, Hauptmann Gollberg.«
»Wie bitte?«
»Ihr könnt mich nicht einfach vor meinen Männern zu Boden schlagen und dadurch meine Glaubwürdigkeit als Ausbilder und Offizier untergraben. Ich durfte mich nicht wehren, das wisst Ihr ganz genau. Ich verlange Satisfaktion vermittels eines regelkonformen Faustkampfes.«
Gollberg begann plötzlich maliziös zu lächeln. Seine drei Kinngrübchen bewegten sich dabei gegeneinander. »Ich gewähre Euch Satisfaktion vermittels eines regelkonformen Duells auf Leben und Tod, wenn Ihr darauf besteht.«
»Das ist nicht nötig, denn auch das würde ja nur der Festung Carlyr Schaden zufügen.«
»Nicht, wenn ich Euch töte.«
»Schluss jetzt, meine Herren, Schluss!«, dröhnte es von oben. »Hauptmann Gollberg, Leutnant Fenna sofort in mein Büro, und wenn ich Sofort sage, meine ich nicht in einem halben Sandstrich oder so!« Oberst Jenko hatte sich schon wieder aus dem Fenster zurückgezogen, bevor man ihn richtig hatte ansehen können. Gollberg und Fenna bewegten sich gleichzeitig, bahnten sich eine Gasse durch die im Überfluss herumstehenden Soldaten und gingen nacheinander die Stiege zu Jenkos Büro hinauf; Fenna ließ Gollberg dabei ranggemäß den Vortritt.
In Jenkos Büro roch es nach kaltem Tabakrauch. Der massige Oberst stand hinter seinem Schreibtisch und erwartete sie schon. Fenna fühlte sich an Ereignisse aus seiner turbulenten Schulzeit
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