Die Soldaten
Festung Carlyr gab es jedoch nur ein kurzes Danksagungsgebet am Morgen und einen Humpen Fruchtbier zum Mittag für jeden.
Für die Dritte Kompanie stand auch dieser Tag ganz im Zeichen der Kampfausbildung.
Fenna variierte das Erlernte des Vortages und übte seine Kompanie nun im waffenlosen Kampf. Aus den Würfen zum Hinfallen wurden nun geplante Aktionen, einen Gegner auszuhebeln, ihn zu Fall zu bringen, seinen eigenen Angriffsschwung wider ihn zu kehren, ihm auszuweichen und in den Rücken zu gelangen. Die Männer verausgabten sich bis zur völligen Erschöpfung. Das Mittagessen wurde beinahe schweigend eingenommen, so ausgepumpt waren alle. Am Nachmittag ging es nahtlos weiter. Die Grünhörner wetzten ebenjene. Fenna beaufsichtigte und korrigierte. Er bremste das »Scheusal« und Sensa MerDilli, der sich im Eifer sein neues Uniformhemd kaputt riss und sofort zur Schneidermeisterin geschickt wurde. Er tröstete Tadao Nelat, der zu weinen anfing, weil Breff Teppel ihn aus Versehen mit dem Hinterkopf ins Gesicht getroffen hatte.
Zwischendrin rief Ilintu Fenna ins Lazarett. Mit Yinn Hanitz stimmte etwas nicht. Fergran von den Holtzenauen begleitete seinen Leutnant.
Der am Kopf Verletzte lag schweißnass im Bett und wälzte sich hin und her. Seine Augenlider waren geschlossen, aber unter diesen rasten die Pupillen hin und her. »Die Hand, die sich erhebt«, nuschelte er immer wieder, »die Hand, die sich erhebt, die Hand, die sich erhebt – muss herunterkommen. Muss … herunterkommen!« Es schien nicht möglich, ihn zu wecken, wobei Ilintu jegliches Rütteln oder auch nur sanfte Ohrfeigen strikt untersagte. Schließlich beruhigte sich Hanitz wieder und schien einzuschlafen. Der Anfall hatte etwa zwei Sandstriche gedauert.
»Bekommt er das öfters?«, erkundigte sich Fenna.
»Er murmelt manchmal Dinge im Halbschlaf, aber jetzt gerade war es das erste Mal, dass er sich dabei so aufgeregt und so stark geschwitzt hat. Deshalb habe ich dich ja gleich gerufen.«
»Er ist nicht durch eine sich erhebende Hand verletzt worden, sondern durch einen Sturz gegen eine Mauer«, sagte Fergran von den Holtzenauen nachdenklich.
»Also?«, fragte Ilintu forschend.
»Also träumt er«, vollendete Fenna. »Oder erinnert sich an etwas Früheres.« Wie ich in beinahe jeder Nacht. »Ruf mich, wenn es wieder passiert.«
Ilintu nickte nur und blickte besorgt auf den Liegenden hinunter.
Gegen Abend hatte Fenna seine Männer immer noch nicht aus seiner Ausbildung entlassen, als Gollbergs Erste Kompanie zurückkehrte. Sandige Soldaten auf schaumigen Pferden. Der Hof wurde erfüllt von aufsteigenden Staubwolken. Und diesmal war es eine Sensation. Sie hatten jemanden mitgebracht aus dem Land der Affenmenschen.
Im Nu strömten auch Hobock & Sells’ Soldaten der Zweiten Kompanie auf den Hof. Selbst Oberst Jenko ließ sich am Fenster blicken. Die Neuigkeit schwirrte umher wie ein Bienenschwarm. Doch Hauptmann Gollbergs Gesicht zeigte keinerlei Triumph. Erst als Fenna sah, wen Gollbergs Männer im Feindesland aufgegriffen hatten, verstand er auch, weshalb: Es war Jamu Scapedo. Trotzig, aber verhältnismäßig unversehrt, stieg das ehemalige Grünhorn hinter einem Soldaten vom Pferd.
»Ist das nicht einer von Euren Kerlen, Leutnant Fenna?«, schnauzte Hauptmann Gollberg.
Fenna beschloss abermals, sich zu nichts hinreißen zu lassen. »Nicht mehr. Ich habe ihn entlassen.«
»Dennoch treibt er sich alleine im Sperrgebiet herum. Scheint mir, als hättet Ihr ihm nicht deutlich genug gemacht, in welcher Richtung sein militärisches Intermezzo zu enden hat, was?«
»Ich wollte nach Galliko!«, beschwerte sich Scapedo. »Galliko liegt nördlich von hier, also warum soll ich nicht mitten durch das Affengebiet gehen? Gehört nicht der ganze Kontinent den Menschen? Kann ich als freier Mensch nicht gehen, wohin es mir p…« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden, denn der deutlich kleinere Hauptmann Gollberg hatte sich zu ihm umgewandt und ihm plötzlich die Hand quer über den Mund gelegt. Mit eisernem Griff umfasste Gollberg Scapedos Wangen und drückte zu.
»Du kannst von Glück sagen, du Sohn einer galikonischen Natter, dass ich meinen Auftrag als Offizier der Königin dermaßen ernst nehme, dass ich jedes menschliche Leben aus Not errette, auch deins! Selbst wenn du uns mit deinen Fußspuren auf der Suche nach wirklichen Überlebenden zwei Tage lang an der Nase herumgeführt hast! Selbst wenn dies wiederum bedeutet, dass die Überlebenden
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