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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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einen Moment schien Ilintu mit den Tränen zu kämpfen, doch dann stürzte sie hastig einen weiteren Krug Wein hinunter. »Es waren 114, die hier krepierten. Mit all meinem Wissen, all meiner Erfahrung, all meiner … Zuneigung zu den mir anvertrauten Menschen … Männern und Frauen … habe ich nicht einen Einzigen von ihnen retten können.«
    Fenna räusperte sich und versuchte, das Thema ein kleines bisschen in eine andere Richtung zu lenken. »Ein Magier soll überlebt haben.«
    »Ja. Der Bienenmann, der zum Hornissenmann wurde. Man brachte ihn schnell weg von hier, in Sicherheitsverwahrung.«
    »Hast du ihn … untersucht?«
    »Nur flüchtig. Er schien gar nicht verwundet zu sein. Aber dann tötete er einen der Wachtposten, der ihn am Verlassen der Festung hindern wollte. Er streckte wohl nur die Hand nach ihm aus, und der Wachtposten wurde von Insekten, von denen jedes einzelne zehn bis zwanzig Stacheln trug, totgestochen.«
    »Und wie konnte man so jemanden dann überwältigen?«
    »Er ließ es geschehen. Er war sich keiner Schuld bewusst.«
    Schweigen. Dann Fennas Frage: »In welcher Richtung wollte er die Festung verlassen? Nach Norden oder nach Süden?«
    »Nach Norden. Zurück ins Affenmenschenland.«
    Jetzt schwiegen sie lange. Ilintu entzündete ein Lämpchen, dessen Öl mit Duftstoffen aus einer königlichen Fabrikation versetzt war. Schließlich fragte sie: »Und du glaubst wirklich, dass das richtig ist?«
    »Was?«
    »Dass man sein Leben in den Dienst stellt. Einer Uniform. Einer Majestät. Was, wenn diese Majestät Entscheidungen trifft, die falsch sind? Dann gehst du hin als Soldat und Offizier und stirbst für diese falsche Entscheidung?«
    »Ich finde, das ist nicht der ausschlaggebende Punkt.«
    »Oh doch, der Tod ist ein ausschlaggebender Punkt!«
    »Das meine ich nicht. Der ausschlaggebende Punkt ist: Was ist eine Königin? Selbstverständlich kann auch sie Fehler machen. Selbstverständlich ist auch sie keine Einzelperson, die aus dem Stegreif und nach Lust und Laune Entscheidungen trifft. Auch sie ist von einem Beraterstab umgeben, kann Einflüsterungen erliegen oder muss auf Befindlichkeiten und Sachzwänge Rücksicht nehmen. Aber sie existiert, Ilintu. Die Königin existiert. Existieren die Götter? Ich weiß es nicht. Existiert das Gute im Menschen? Manchmal denke ich: ja; dann wieder bin ich mir sicher: nein. Existiert der Kontinent, wie wir ihn kennen, noch in einhundert Jahren? Wer kann das wissen? Aber die Königin existiert. Sie ist Wirklichkeit. Und ob ich mich dem nun entziehe oder nicht: Ich habe mit ihren Entscheidungen zu leben. Ob ich Schuster bin, Tischler oder Musikant. Die Königin existiert. Also habe ich schon in jungen Jahren beschlossen, dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Damals war es noch ein König. Er existierte. Jetzt existiert er nicht mehr. Aber damals schon. Ich schulterte meinen Teil der Wirklichkeit und wurde Bestandteil der … weiteren Umgebung eines existierenden Königs. Denn ich bin ohnehin mitgefangen und mitgehangen in diesen Entscheidungen. Also kann ich auch gleich versuchen, meinen Teil in der mir richtig erscheinenden Weise abzuleisten. War das jetzt nachvollziehbar? Ich fürchte, ich bin betrunken. Von zwei Krügen Wein. Ich vertrage nicht mehr viel, seitdem in Chlayst das Atmen … nicht mehr möglich war.«
    Die Heilerin sah ihn forschend an und murmelte dann seinen Vornamen. Dreimal. »Eremith, Eremith, Eremith.« Dann raffte sie sich auf. »Es wird spät. Ich möchte früh schlafen. Falls Gollberg heute Nacht zurückkehrt, gibt es vielleicht Arbeit für mich.«
    »Du hast recht. Aber wir sollten … das hier … bei Gelegenheit wiederholen.«
    »Hast du keinen anderen Freund hier in der Festung?«, fragte sie sehr leise.
    »Hm?«
    »Nichts. Bei Gelegenheit, ja.«
    In dieser Nacht kehrten die Kinder zurück.
    Fenna ärgerte sich, nachdem er sich verschwitzt aus den Träumen hochgekämpft hatte. Er hatte die Kinder erwähnt. Er hatte Alkohol getrunken. Es war kein Wunder, dass sie zurückkamen und brennend nach ihm griffen.
    Er versuchte an Behnk zu denken, an den Glückslöffel, an Reseas beißenden Spott, an Resea, wie er von MerDilli bei den Fallübungen durch die Luft geschleudert wurde und dabei entgegen seinem sonstigen Hochmut ziemlich erbärmlich aussah, an Hauptmann Gollberg und seine Pferde. Alles, um die Kinder nicht mehr sehen zu müssen.
    Der folgende Tag war der 15. Sonnenmond, auf dem Kontinent feierte man das Lunfest. In der

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