Die Somalia-Doktrin (German Edition)
nicht etwa sagen, dass da jemand eine schwere humanitäre Krise unter den Teppich zu kehren versucht und nur Universal Action etwas dagegen tut?«
»Mr. Sablon, es ist kein Geheimnis, dass die Vereinten Nationen unserer Ansicht nach zu träge sind. Sie stecken bis zum Hals in Bürokratie. Wir nicht. Wir handeln schnell, professionell und entschlossen. Also machen Sie sich keine Sorgen. Wir wissen, was wir tun.« Harry warf einen Blick durch den Raum. »Sonst noch Fragen?«
Jerome sprang auf wie von der Tarantel gestochen und richtete einen Finger auf ihn. »Sie haben mir nicht geantwortet. Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass da etwas unter den Teppich gekehrt wird?«
Harry schürzte die Lippen. Er hätte Sablon am liebsten in die Visage gehauen. Alle Blicke im Raum waren auf sie gerichtet wie auf zwei Boxer vor einem Kampf. Harry wägte seine Worte sorgfältig ab.
»Hinsichtlich der Absichten anderer Organisationen kann ich lediglich spekulieren, Mr. Sablon. Klar ist, dass sich in Somaliland eine ernste Krise abzeichnet und nur Universal Action imstande ist, effektiv darauf zu reagieren.«
»Wie sollen wir wissen, dass Sie hier nicht maßlos übertreiben, zumal nicht eine einzige andere Quelle Ihre Angaben bestätigt?«
»Wir haben keine Zeit mehr, über Angaben und Quellen zu diskutieren, Mr. Sablon. Hier gilt es zu handeln. Es gilt Hunderttausende von armen, unschuldigen Somaliern zu retten, die dem Tod durch Hunger und Konflikt ins Auge sehen. Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um hinsichtlich Zahlen und Quellen akademisch zu werden, wir brauchen jetzt Menschen mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Also, sonst noch Fragen?«
Zwei andere Hände schossen hoch, aber Jerome wollte nicht locker lassen. »Ich bin ganz Ihrer Meinung, dass man handeln muss, aber wir müssen sicher sein, dass Ihre Behauptungen auch tatsächlich stimmen.«
»Sablon, bitte, lassen Sie auch die anderen zu Wort kommen.«
»Wir hatten bereits zu viele völlig überzogene Aufrufe von NROs, die nichts weiter als Schlagzeilen wollten. Und die Bilanz von UA ist alles andere als makellos.« Jerome warf einen Blick über das Publikum. So mancher nickte beifällig. »Ich denke, wir sollten selbst nach Somaliland gehen, um nachzusehen. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf die Wahrheit.«
»Eine großartige Idee«, sagte Harry. Jerome sah ihn erstaunt an. Harry fuhr fort: »Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Reden wir doch später drüber.« Harry sondierte den Raum. »Meine Damen und Herren, Mr. Sablon hat die Zeit für Fragen für sich allein beansprucht. Aber Sie wissen ja, wo wir zu erreichen sind.«
Einige der Journalisten erhoben sich und hielten auf den Ausgang zu. Die anderen standen plaudernd herum. Harry suchte tastend nach dem Schalter am Mikrofon.
»Was ist mit den Enthauptungen?«, rief Jerome über das Gemurmel hinweg.
Augenblicklich legte sich bleiernes Schweigen über den Raum. Aller Blicke richteten sich auf Jerome. Fest entschlossen, wenn auch nervös funkelte er Harry an.
Harry blieb der Mund offenstehen. »Wie bitte?«
»Was ist mit den enthaupteten Flüchtlingen?«, wiederholte Jerome seine Frage, diesmal weniger laut.
»Ich verstehe nicht.«
»Gerüchten zufolge lassen Kriegsherren die Insassen ganzer Lager köpfen.«
Harry atmete langsam aus. »Auch uns sind diese Gerüchte zu Ohren gekommen. Wir gehen Ihnen gerade nach. Falls Sie sich bewahrheiten, stärkt das unsere Forderung nach mehr Sicherheit.«
»Ist das der Fall, den Sie dem Sicherheitsrat vortragen?«
Harry kam sich vor wie geohrfeigt. Er musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht auf Jerome loszugehen. Er hätte Hackfleisch aus ihm gemacht.
»Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden«, sagte er zähneknirschend, »die Pressekonferenz ist vorbei.«
Damit stürmte er aus dem Presseraum. Das würde der Journalist ihm bezahlen.
»Also für mich lief das recht gut«, sagte George nach der Pressekonferenz.
Er hetzte im Laufschritt neben Harry her, der forsch ausschritt. Sie gingen den schummrigen Korridor im zweiten Stock von Universal Actions Bürogebäude hinab.
Harry sah George, der ganz schweißgebadet war, flüchtig an. Antwort gab er ihm keine. George war einfach zu dumm. Aber er hatte seine Verwendungsmöglichkeiten, also brachte er ihn besser nicht auf.
»Findest du nicht, dass es gut lief, Harry?«
»Ein Bombenerfolg.«
George hob die Brauen. Womöglich hatte er doch eine Antenne für Sarkasmus in seinem
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