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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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sich wieder.« Oliver stand auf. »Das wird nichts. Gehen wir nach draußen.«
    »Kommt nicht in Frage!« Marie zog die Frau derart grob am Arm, dass sie einen Schrei ausstieß.
    »Lass mich noch eine Nahaufnahme machen.« Oliver hob die Kamera auf die Schulter und ging hinüber zu dem bibbernden Kind. Er schob ihm die Linse der Kamera direkt vors Gesicht. »Marie, komm her. Mit dem Mikro!«
    Marie hob das Mikrofon dem Jungen direkt vor den Mund. Die Atmung des Kleinen war kaum vernehmbar und flach.
    »Großartige Aufnahme.« Oliver wollte aufstehen, aber Marie packte ihn am Ellenbogen und zog ihn wieder hinab.
    »Er stirbt«, sagte sie. »Der letzte Atemzug vor dem Tod. Film das. Dafür kriegen wir den Pulitzer.«
    Jim hielt das nicht länger aus. Mit erhobenen Händen trat er auf die beiden zu. »Das reicht. Lasst die Leute in Ruhe und geht hinaus. Ich werde Hilfe holen.«
    Marie blickte zu Jim auf, als bemerkte sie ihn zum ersten Mal. »Für wen zum Teufel hältst du dich denn?«
    »Ihr könnt nicht einfach in anderer Menschen Häuser platzen und derart mit ihnen umspringen. Seht ihr nicht, dass sie ärztliche Hilfe brauchen?«
    »Ah, Mr. Gutmensch. Wir können nicht jedem helfen, der uns über den Weg läuft. Wir versuchen hier eine Reportage zu machen, die Millionen sehen werden.« Sie kam auf die Beine, war aber immer noch einen Kopf kleiner als er. »Dann kriegen die hier all die Hilfe, die sie verdammt noch mal brauchen. Und jetzt scher dich raus und lass mich meine Arbeit machen.«
    »Wenn hier wer rausgeht, dann seid das ihr«, sagte Jim etwas lauter als zuvor. »Bevor mir der Kragen platzt.«
    Oliver stand auf. »Der Kleine ist tot. Und ich hab’s nicht auf Band gekriegt, weil ihr zwei euch kabbeln müsst.«
    »Verdammt. Was für eine Verschwendung.« Marie warf das Mikrofon auf den Boden und blickte Jim funkelnd an. Einen Augenblick dachte er, sie würde ihn ohrfeigen. Stattdessen nickte sie Oliver zu, der sich nach dem Mikrofon bückte. Mit einem groben Rempler schoben sie sich an Jim vorbei. Um ein Haar wäre er auf die Frau und ihre Kinder gestürzt.
    Mit einem tiefen Atemzug sah Jim den beiden nach. Er spürte ein Zupfen am Hosenbein. Er senkte den Blick und sah die Frau, die flehentlich zu ihm aufstarrte. Er löste ihre schwachen Finger von seiner Hose und hielt ihre Hand. Sie war eiskalt, nichts als Knochen und trockene Haut.
    »Ich geh Hilfe holen. Warten Sie.«
    Ihm wurde die Sinnlosigkeit seiner Worte bewusst. Wo sollte sie schon groß hin?
    Wieder im Freien, brauchte Jim einige Sekunden, um seine Augen an die grelle Sonne des frühen Nachmittags anzupassen. Dann ging er zurück zum Konvoi. Er kam an einem weiteren metallenen Frachtcontainer vorbei, dessen Tür weit offenstand, und spähte hinein. Der Container war voller Hilfsmittel! Ungeöffnet stapelten sich die Pakete mit Nahrungsmitteln bis unters Dach. Wie konnte das sein? Womöglich waren die Lebensmittel verdorben. Er riss eines der Pakete auf – Getreide rieselte zu Boden. Er nahm eine Handvoll davon und ließ es durch die Finger laufen wie Sand. Er nahm eine weitere Handvoll auf, gab es in eine kleine Plastiktüte, die herumlag, und steckte sie ein.
    An der Verteilstelle schien eben ein Streit zu entbrennen. Fabienne war puterrot im Gesicht. Wild gestikulierend schimpfte sie mit einer Gruppe somalischer Männer und Jungs. Einige von ihnen trugen Burnus oder Dschellaba, arabische Mäntel, die einen mit Kapuze, die anderen ohne, alle in Weiß. Andere trugen die Reste schmuddeliger T-Shirts und abgerissene Hosen. Alle hatten sie eine Kalaschnikow über der Schulter oder hielten sie vor sich in der Hand.
    Andrew versuchte sie zu beschwichtigen. Maxine stand da, die Arme vor der Brust verschränkt, und sah sich die Szene an. Oliver stand einige Schritte abseits und filmte, während Marie sich Notizen machte.
    »Wie sollen wir unsere Arbeit machen, wenn ihr uns behindert?«, rief Fabienne.
    Andrew sagte einige Worte auf Somali zu den Männern und wandte sich dann wieder an Fabienne. »Es hat doch keinen Sinn zu streiten. Geben wir ihnen die Sachen und gehen.«
    Fabienne fuhr so jäh herum, dass Andrew einen Schritt zurücktrat und um ein Haar gestolpert wäre.
    »Ich werde nicht zulassen, dass dieses waffengeile Gesindel mit so was durchkommt«, sagte sie.
    Die Somalier rückten näher und bildeten einen Kreis um sie. Einige nahmen ihre Kalaschnikow von der Schulter und spielten mit dem Sicherungsflügel. Ein metallisches
Klack
war zu

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