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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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kostbar in Konfliktzeiten. Man konnte damit die Soldaten ernähren. Oder man verkaufte sie und legte das Geld in Waffen an.
    Maxine redete wie ein Wasserfall. Man hätte meinen können, sie versuchte jeden Gedanken an das zu verdrängen, was da eben passiert war. »Harry meint, wir sollten wieder zum Kolonialismus zurückkehren. Den Leuten hier zeigen, wie man ein Land regiert. Alle hier sagen, dass es besser war, als wir hier noch geherrscht haben. Ich meine, schau dich um. Du musst doch zugeben, dass hier alles drunter und drüber geht.«
    »Nicht so schlimm wie in Somalia«, sagte Jim. »Wenigstens hatte man hier demokratische Wahlen. Man versucht das Land wieder aufzubauen.«
    »Ja, toll. Von wegen. Ein einziges Schlamassel, wenn du mich fragst.«
    Jim nahm den Kopf in beide Hände. Maxine begann ihm auf die Nerven zu gehen. Bisher war sie ihm nicht wie eine Rassistin vorgekommen, aber jetzt hörte sie sich fast schon wie eine an.
    Sie fuhren schweigend weiter, jeder in seinen Gedanken verloren.

Kapitel 12
    Distrikt Awdal, Somaliland
19. September 2003
    Jim schreckte aus dem Schlaf. Der Konvoi raste nach wie vor durch die Wüste, die sich rund um sie erstreckte, soweit das Auge reichte. Nur etwas niederer Pflanzenwuchs war zu sehen, hier und da ein verkümmerter Baum. Die Sonne war unerbittlich, der Himmel funkelte in satten Nuancen von Orange und Rot. Selbst die kleinsten Kiesel warfen noch lange Schatten.
    »Sieht das nicht phantastisch aus?« Maxine drückte seine Hand. »Geht’s dir besser?«
    Er stöhnte auf, als ihm wieder ein stechender Schmerz durch die Brust fuhr. »Wo sind wir?«
    »Wir haben immer noch Stunden zu fahren.«
    »Wie geht’s denn den anderen? Fabienne?«
    »Sie hat bislang kein Wort gesagt.«
    Er spähte nach vorn. Es wurde rasch dunkel. Vor ihnen flackerten einige Lichter.
    »Sieht ganz so aus, als hätten wir einen Checkpoint vor uns«, sagte Jim. Er verdrängte jeden Gedanken an seine Schmerzen.
    Maxine griff nach dem Mikro. »Checkpoint voraus. Nur die Ruhe jetzt, ja?«
    Vor ihnen sahen sie die Piste von einer Reihe ramponierter Pickup-Trucks blockiert. Alle hatten schwere MGs hinten drauf. »Technicals« nannte man diese Art Fahrzeuge in der Gegend. Nasir nahm den Fuß vom Gas, bis er Schritttempo fuhr. Drei Männer im Kampfanzug mit Patronengurten um den Hals sprangen von der Ladefläche der Technicals und winkten Nasir auf sich zu. Andere nahmen die Maschinengewehre herum und richteten sie auf den Konvoi. Zwischen den Wracks ausgebrannter Pkw zu beiden Seiten der Straße sahen sie ein halbes Dutzend weiterer Männer in Hemden und Jeans. Khat kauend standen sie auf ihre Gewehre gelehnt.
    »Sehr freundlich sehen die nicht aus«, sagte Maxine. Sie sprach wieder ins Mikro: »Verschließt eure Türen. Bleibt in den Fahrzeugen. Überlasst das Reden uns.«
    Jim steckte Nasir ein Bündel amerikanischer Dollar in die Brusttasche seines Hemds.
    »Rede du mit denen«, sagte er.
    Einer der Milizleute richtete den Schein seiner Taschenlampe direkt in Nasirs Augen und kam auf sie zu. Er sah furchtbar jung aus, kaum fünfzehn Jahre alt; der erste Bartwuchs zierte seine knabenhaften Züge. Aber er trug eine Uniform und hatte einen finsteren Blick in den Augen; auf seiner rechten Backe war eine Narbe zu sehen. Er bellte Nasir einige Fragen entgegen, der darauf sein Fenster einen Spalt weit öffnete. Jim warf einen Blick in den Außenspiegel: Der Konvoi hinter ihnen war zum Stehen gekommen. Einige der Milizleute hielten auf die anderen Lastwagen zu.
    Der junge Milizmann leuchtete Maxine ins Gesicht, dann Jim, dann wieder Maxine, an der das Licht hängen blieb. Er schob sich ein frisches Blatt Khat in den Mund und musterte sie. Jim erstarrte. In Kenia brüsteten Männer sich mit der Vergewaltigung weißer Frauen. War das hier genauso? Aus dem Augenwinkel warf er einen Blick auf Maxine. Sie starrte geradeaus vor sich hin. Jim war beeindruckt von ihrer Ruhe.
    Der Milizmann richtete die Lampe wieder auf Jim. Er hob die ramponierte Kalaschnikow und richtete ihren Lauf durch den Spalt im Fenster auf ihn. Jim spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Womöglich war das das Ende. Seine letzten Atemzüge. Kaltblütig ermordet von einem halbwüchsigen Soldaten in der Wüste eines Landes, von dem kein Mensch gehört hatte.
    Nasir sagte etwas auf Somali, leise und bedächtig. Der Milizmann spuckte aus dem Mundwinkel und antwortete ihm. Nasir sagte wieder etwas. Einen Augenblick herrschte gespanntes

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