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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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heulten. Harry spürte das Pochen des Adrenalins.
    Das war es doch, worum es im Leben ging.
    Sie spurteten in eine weitere Seitenstraße und versteckten sich in einem dunklen Hauseingang. Laurent riss seinen Rucksack auf und warf Harry einige Kleidungsstücke zu.
    »Hier«, sagte er. »Zieh das an.«
    Ein dunkelblauer Van der Bereitschaftspolizei raste vorbei, gleich danach ein zweiter. Die hielten das Ganze vermutlich für einen Terroranschlag. Nicht mehr lange, und das Viertel wäre abgeriegelt.
    Ohne etwas auszuziehen, zog Harry sich hastig einen nichtssagenden dunkelgrauen Pullover über und stieg in eine weite Hose, was ihn gewichtiger wirken ließ. Laurent reichte ihm eine Mütze mit einem unleserlichen Logo.
    »Danke.« Harry sah sich Laurent an: Er hatte sich ähnliche Sachen übergezogen, nur in anderen Farben. Der blaue Pullover war eine Nummer zu klein, was Laurents pralle Muskeln hervortreten ließ.
    Harry besah sich seine Schuhe. An ihnen klebten Blut, Haare und Haut. Um sie zu reinigen, rieb er sie gegen die Wand.
    Schließlich nahmen sie den anderen Ausgang hinaus auf die Nebenstraße. Sie winkten ein Taxi heran und orderten eine Sightseeingtour durch Paris, während der sie überlegen wollten, was als nächstes zu tun war.
    Harry lehnte sich in den Sitz zurück. Er fühlte sich gut. Richtig wohl.
    Wie sehr er doch die Aufregung des Kampfes vermisste. Der Zwischenfall hatte seine Mission um einiges schwieriger gemacht, aber das war es wert gewesen. Interpol war ihm schon zu lange auf den Fersen. Das würde sie lehren, Harry Steeler keine Amateure hinterherzuschicken.
    »Warum?«, flüsterte Laurent.
    »Es war die einzige Möglichkeit. Wir dürfen keine Spuren hinterlassen.«
    Laurent schüttelte angewidert den Kopf.
    »Wir befinden uns im Krieg«, sagte Harry. »Das hier ist kein Spaziergang im Park.«
    »Trotzdem–«
    »Du kapierst das nicht, was?« Harry war lauter geworden. Der Taxifahrer warf im Rückspiegel einen Blick auf die beiden.
    »Psychopath«, murmelte Laurent.
    »Ich hab uns da lebend rausgebracht. Und die haben nichts anderes verdient, so blöd wie sie waren. Überhaupt, woher wussten die, dass wir am Gare du Nord sind? Ich dachte, wir hätten sie in der Metro abgehängt.
    Laurent zuckte die Achseln.
    Harrys Herz pochte wie wild. Hinter ihnen waren immer mehr Sirenen zu hören. Sie mussten zusehen, dass sie aus dem Viertel herauskamen.
    Er wandte sich an Laurent. »Bist du nun dabei oder nicht?«
    »Natürlich bin ich dabei.«
    »Bist du sicher. Unsere Pläne haben sich nämlich geändert.«
    »Wie meinst du das?«
    »Wir können unmöglich nach London, bevor der Gare du Nord wieder aufmacht, also müssen wir uns in der Zwischenzeit um den Schmierfinken kümmern. Und das wird hart. Du kannst mir da nicht alles in Frage stellen.«
    »Ich sage doch«, sagte Laurent, »ich bin dabei.«
    »Dann hör auf zu maulen, verfluchte Scheiße.«
    Sie hielten an einer Ampel. Harry starrte zum Fenster hinaus auf eine Reihe von Läden mit Gemüseständen vor den Fenstern und volle Cafés. Eine Frau auf einer Terrasse auf der anderen Straßenseite fiel ihm auf. Mit ihrem pechschwarzen Haar und dem trendigen blauen Trainingsanzug wirkte sie irgendwie vertraut.
    Dann kam es ihm. Es war die Frau mit dem Kinderwagen vor der Metrostation. Nur dass sie diesmal keinen Kinderwagen mit hatte. Sie starrte ihn an, als fordere sie ihn heraus, sie anzusprechen.
    »Schau.« Harry tippte Laurent auf den Arm. »Das ist die Frau.«
    »Welche Frau? Wo?«
    »Verdammt. Jetzt steht der Lieferwagen dazwischen. Gleich dahinter. Auf der Terrasse.«
    »Ich seh sie immer noch nicht«, sagte Laurent, der über Harrys Schulter spähte.
    »Augenblick. Der Lieferwagen fährt weiter.« Aber die Frau war fort.

Teil II
Der Plan

Kapitel 19
    Addis Abeba, Äthiopien
21. September 2003
    Die Lounge des Hotels hatte schon bessere Zeiten gesehen, vor dreißig, vierzig Jahren vielleicht, als mit dem Ende der Kolonialzeit eine Welle von Optimismus über den schwarzen Kontinent hinweggeschwappt war. Jetzt jedoch löste sie sich in ihre Bestandteile auf. Die Holztäfelung an den Wänden war angeschlagen. Die Polstersessel waren schlammig braun, fadenscheinig und voller Brandnarben, die Glasplatten der niederen Tische zerkratzt. Die Kronleuchter tauchten den Raum in ein trübes gelbliches Licht, das die Leute die Augen zusammenzukneifen zwang, wollten sie etwas sehen. Der einst marineblaue Teppich war vermutlich seit Jahren nicht mehr gereinigt

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