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Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Die Somalia-Doktrin (German Edition)

Titel: Die Somalia-Doktrin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Grenton
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Versteck.«
    Samatar ging voran durch die Ruine des Hauses, die anderen kamen hinter ihm her. Draußen liefen Gruppen von Menschen die Straße lang, die sich alle in Sicherheit zu bringen versuchten. Weitere Technicals kamen in die Straße gefahren.
    Kugeln flogen. Leute fielen um. Eine Frau rannte auf ihren Sohn zu, der leblos liegen geblieben war. Hochgeschwindigkeitsgeschosse rissen sie praktisch entzwei. Abdi spürte die Hand seines Sohnes beben. Er zog ihn an sich und folgte Samatar und seiner Familie durch die Trümmer. Einige Hundert Meter weiter machten sie Halt und versteckten sich in der Ruine eines anderen Hauses.
    Die Kampfhandlungen nahmen im Verlauf des Tages noch zu. Scharenweise versuchten die Menschen zu fliehen. Die meisten waren zu Fuß unterwegs, einige hatten ihre Habseligkeiten auf dem Rücken, andere zogen sie hinter sich her. Einige hatten ihre älteren Angehörigen in Schubkarren mit. Abdi, sein Sohn und ihre neuen Freunde warteten, kaum dass sie sich zu rühren wagten, auf die Kühle des Abends.
    In dieser Nacht durchdrangen die Schreie vergewaltigter und niedergemetzelter Frauen die Luft. Abdi legte die Hände über die Ohren seines Sohnes, aber es hatte keinen Sinn. Die Schreie und die Schüsse hielten die ganze Nacht an. Wie eine Springflut drangen die schmerzlichen Erinnerungen an die Ermordung seiner Frau auf ihn ein. Banditen hatten ihr aufgelauert und sie vergewaltigt, als sie Feuerholz sammeln ging, das sie bei anderen Flüchtlingen gegen Lebensmittel eintauschte, um die mageren Rationen der NROs zu ergänzen, die das Lager leiteten. Sie hatte bei der Polizei Anzeige erstattet, was ein großer Fehler gewesen war. Die Polizei hatte sie bei den Banditen verraten, die mitten in der Nacht zurückkamen und sie wieder vergewaltigten. Dann brachten sie sie um.
    Abdi hätte sich am liebsten auf den ersten Milizmann gestürzt, der am Haus vorbeikam. Aber er wusste, wie sinnlos das war. Es hätte nur sein Ende bedeutet. Und das seines Sohns.
    Am nächsten Tag zogen Banden durch die Straßen, mordend, plündernd. Als die Kämpfe vorübergehend abklangen, spähte Abdi durch ein Loch in der Mauer. Eine Gruppe von Männern kam die Straße herauf, den Koran auf dem Kopf.
    »Wir sind verloren. Gott steht uns bei«, riefen sie. Abdi wusste, es waren die Männer, deren Frauen und Töchter man vergewaltigt hatte; damit hatte man sie und ihre Familien entehrt. Es fielen Schüsse und die Männer stürzten in die Ruine eines Hauses direkt gegenüber. Nur einige Meter vor Abdi gingen Milizleute mit Messern aufeinander los. Und immer noch versuchten scharenweise Menschen aus der Stadt zu entkommen, immer wieder wurde eine Gruppe von MG-Feuer niedergemäht.
    Samatar kroch neben Abdi. »Wir müssen los.«
    »Wohin?«
    »Brava,« nannte er eine Stadt 200 Kilometer südlich von Mogadishu.
    Khalid weinte. Um seine Laute zu ersticken, legte Abdi ihm eine Hand über den Mund.
    »Also dann«, sagte Abdi. »Gehen wir.«
    Sie entkamen durch eine Tür in der hinteren Mauer und schlossen sich einer endlosen Reihe aus Tausenden von Flüchtlingen an. Vor ihnen befand sich eine Straßensperre mit Technicals auf beiden Seiten, die einen schmalen Spalt frei ließen, durch den sich der Strom der Flüchtlinge wand. Auf einem der Technicals stand einer von Othmans Leuten, der die Masse der Verzweifelten musterte.
    »Kopf runter«, sagte Abdi zu Khalid.
    Sie schlurften mit der Menge dahin. Hinter ihnen hieß Samatar Frau und Tochter, beieinander zu bleiben. Die Milizleute zogen Männer aus der Reihe und stellten ihnen Fragen, wahrscheinlich nach dem Clan, zu dem sie gehörten. Einige von ihnen führten sie in die Ruine eines alten Gebäudes. Dann waren Schreie und Schüsse zu hören, und Abdi spürte die Nervosität der Menschen ringsum.
    Sie erreichten die Straßensperre. Die Reihe kam dort so gut wie zum Stehen. Man schob die Leute einzelnen durch die Lücke zwischen den Technicals. Abdis Gruppe hatte es fast geschafft, als er einen Schrei hörte.
    »Du!«
    Abdi ging weiter und zog Khalid hinter sich her.
    »Hey, du, hab ich gesagt!« Eine Hand griff nach Abdis Schulter. Der Milizmann grinste triumphierend, seine Augen ganz groß. »Wir haben dich gesucht. Hast du gedacht, du kannst dich so einfach verdrücken?«
    Abdi schüttelte die Hand des Mannes ab und zog Khalid mit sich fort. Er drängte sich durch die Menge. Der Milizmann hinter ihm schrie. Schüsse fielen. Die Menge stürzte beiseite. Die Leute trampelten schreiend

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