Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
eingebildet haben konnte.
Auf der Plattform oben in den Dünen zog sie ihre Sandalen aus und stieg vorsichtig nach unten, die Hand fest am Geländer, die Taschenlampe auf die Stufen gerichtet. Heute schien es besonders dunkel zu sein. Ellis schaute hoch zum Mond. Er wurde von schweren violetten Wolken verdunkelt. Die Temperatur war gefallen, der Wind hatte aufgefrischt, und in der Ferne war tiefes Donnergrollen zu hören. Ellis hoffte, dass es erst regnen würde, wenn sie ihr Handy gefunden hätte.
Am Strand angekommen, schwenkte sie ihre Taschenlampe hin und her, bis sie den vergessenen Liegestuhl entdeckte, über dem noch ihr Strandlaken hing. Und darin saß Ty Bazemore. Tief sog Ellis die Luft ein und umklammerte das Geländer. Ihr Gefühl sagte ihr, sie solle umkehren und zurück zum Haus laufen. Doch bevor sie reagieren konnte, stand Ty auf und sah sie erwartungsvoll an. Lächelte er etwa? Lächelte er ihr zu? Jetzt war es zu spät zum Weglaufen.
Ellis zwang sich, auf ihn zuzugehen, als wäre es das Normalste der Welt. Doch ihr Kopf konnte keinen Satz bilden, der nicht bescheuert klang. Am Ende entschied sie sich für: »Ich glaube, ich habe mein Handy und meine Schlüssel hier heute Nachmittag vergessen.«
Ty hielt das Telefon und die Schlüssel hoch. »Stimmt«, sagte er. »Die lagen hier auf dem Stuhl.« Doch er machte keine Anstalten, sie ihr zu geben.
»Ich war mir nicht sicher, ob du wirklich kommen würdest«, sagte er. »Ich wusste nicht mal, ob ich kommen würde. Aber ich bin froh, dass du mich gefragt hast. Ich will nicht, dass es so aufhört, Ellis.«
»Wovon redest du da?«, fragte sie und blieb kurz vor dem Stuhl stehen. »Was habe ich dich gefragt?«
»Ach komm, Ellis«, sagte Ty und spürte, dass er rot anlief. »Es war schließlich deine Idee, nicht meine. Hör auf damit!«
»Ty«, sagte Ellis. »Ich habe wirklich keine Ahnung, wovon du redest? Was machst du hier? Warum bist du hergekommen?«
Er streckte die Hand aus und schob ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. »Ich bin gekommen, weil du mir eine SMS geschrieben und mich darum gebeten hast. Ich bin gekommen, weil du geschrieben hast, wenn ich dich liebte, würde ich kommen. Und ich liebe dich. Ich bin hier. Ich komme dir mehr als entgegen, wenn du mir nur eine Chance gibst.«
»Ich hab dir gesimst?«
Ty runzelte die Stirn. »Was soll das? Ist das irgendein gemeiner Scherz?«
Sie nahm ihm ihr Handy ab und prüfte die Liste der gesendeten Mitteilungen. Sie war leer. Zum Beweis hielt sie ihm das Display hin. »Ich habe dir heute nicht gesimst. Das schwöre ich.«
»Hast du wohl«, entgegnete Ty. Er holte sein Handy aus den Cargoshorts, klappte es auf und zeigte ihr die SMS. »Siehst du? Warum sollte ich mir so was ausdenken?«
Ellis las die Mitteilung und schaute hoch zu Tys versteinertem Gesicht. Sie wurde puterrot.
Auf einmal war ihr alles klar. »Julia!«, rief sie. »Und Dorie! Die waren das! Sie haben mir mein Handy geklaut, als ich heute Nachmittag hier am Strand geschlafen habe, und dir dann diese SMS geschickt. Als ich aufgewacht bin, hat Julia gerade an meiner Strandtasche herumgefummelt. Ich dachte, sie wollte meine Sonnencreme rausholen, aber wahrscheinlich hat sie nur das Handy zurückgesteckt. Und hinterher muss sie es mir noch mal geklaut und hier draußen deponiert haben.«
»Und warum sollten sie so eine lächerliche Nummer abziehen?«, wollte Ty wissen. »Das sind doch deine Freundinnen. Warum sollten sie dich anlügen?«
Ellis wäre am liebsten im Sand versunken. Sie wäre am liebsten gestorben, um dieser Demütigung zu entgehen.
»Weil«, sagte sie und verbiss sich die Tränen, »weil meine bescheuerten, aufdringlichen Freundinnen diese dämliche Idee haben, dass wir zusammengehören. Sie haben Mitleid mit mir, weil sie wissen, dass ich ein Loser bin, dass ich außer meinem Job nichts im Leben habe. Sie wissen, dass du seit elf Jahren der erste Mann für mich bist, und wahrscheinlich bilden sie sich ein, dass wir verliebt sind …«
»He«, sagte Ty leise und nahm Ellis’ Hand. »Das ist doch nicht bescheuert.«
Sie sah zu ihm auf, Tränen liefen ihr übers Gesicht. »Es ist nicht bescheuert von denen, dir falsche SMS von meinem Handy zu schicken, um dich herzulocken?«
Er schmunzelte. »Das schon. Aber es hat ja funktioniert, oder? Hier bin ich. Und du bist auch da.«
Ellis schniefte laut. »Weil sie mein Handy und meine Autoschlüssel geklaut haben. Ich dachte, ich hätte sie im Caddie’s liegen lassen,
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