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Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)

Titel: Die Sommerfrauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Kay Andrews
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Lachsalven erinnerten Ty an lang vergangene Sommer. Damals machte seine ganze Familie Urlaub in Ebbtide, und seine Mutter und Großmutter trafen sich regelmäßig mit ein paar Frauen, die sie die »Schnapsdrosseln« nannten. Wie alt war er damals gewesen? Sechs? Sein Vater musste ihm erklären, dass die anderen Damen nicht wirklich unablässig Schnaps tranken, sondern dass es alte Freundinnen waren, die seine Mutter schon seit ihrer Kindheit kannte, als sie ungefähr so alt gewesen war wie er.
    Den Tag vor dem Treffen der Schnapsdrosseln hatte seine Großmutter immer damit verbracht, kleine Kekse zu backen und Sandwiches mit Käse und Hühnersalat vorzubereiten. Seine Mutter hatte geputzt und geschrubbt, gewischt und gewienert, bis der alte Holzboden schwach glänzte. Eine Decke mit Blumenmuster war auf dem ramponierten Esszimmertisch ausgebreitet worden, und aus der großen Zedernholztruhe im Flur unter der Treppe wurde ein Service mit Rosenmuster und Goldrand sowie zarte roséfarbene Weingläser gezaubert, die Ty noch nie zuvor gesehen hatte.
    Um sechs Uhr verscheuchte seine Großmutter alle männlichen Familienmitglieder. »Keine Jungs erlaubt«, sagte sie und schob sie lachend zur Tür. So ging Ty mit seinem Vater die Straße hinunter zum Pizzaladen, wo sie in Ruhe eine große Pizza vertilgten und dabei das Spiel der Braves im Fernseher über der Theke verfolgten. Sein Vater trank Bier und ließ ihn einen Schluck probieren, verbunden mit der Warnung, es nicht dem »Weibsvolk« zu erzählen.
    Als sie nach Hause zurückkehrten, standen immer noch viele Wagen in der sandigen Auffahrt. Ty wartete draußen vor der Küchentür, während sein Vater auf Zehenspitzen ins Haus schlich und kurz drauf mit einer Papierserviette voller Plätzchen und Törtchen sowie einer Dose Kräuterlimonade für Ty zurückkehrte.
    »Schmuggelware«, sagte sein Vater mit verschwörerischem Flüstern. Mit ihren gestohlenen Leckereien gingen sie hinüber zur Garagenwohnung. Damals nannten sie die Wohnung noch »Tillies Haus«, weil dort im Sommer stets Tillie, das Hausmädchen seiner Großmutter, mit ihren drei Kindern wohnte, wenn die Familie vom herrschaftlichen Haus seiner Großmutter in Edenton hinunter an den Strand reiste.
    Ty hatte nur eine schwache Erinnerung an Tillie, eine zarte schwarze Frau mit krummem Rücken, die immer knallrot gefärbtes Haar hatte, unablässig Kaugummi kaute und in einem Kittel herumlief, der in seinen Augen wie eine weiße Krankenschwesternuniform aussah. Ty wusste noch, dass Tillie morgens immer Eiswürfel in ihren Kaffee getan und mit Vorliebe seine Mutter herumkommandiert hatte. Seit den Achtzigern war Tillie nicht mehr mit ans Meer gekommen, weil sie, wie sein Vater berichtet hatte, das Existenzminimum verdienen wollte und die Großmutter, Gott sei ihr gnädig, geizig wie ein Schotte war.
    So war »Tillies Haus« zu einem Ort geworden, wo ausrangierte Möbel und überzählige Gäste untergebracht wurden. Am Abend, als sich die Schnapsdrosseln trafen, zog Tys Vater zwei klapprige Holzstühle auf die Dachterrasse. Sie setzten sich und genossen ihre Leckereien. Von dort oben konnten sie die Großmutter und die Mutter inmitten einer Schar von Frauen sehen, versammelt um den geschmückten Esszimmertisch. Es lief Musik, einige Frauen spielten Karten, alle lachten und amüsierten sich prächtig.
    Der Anblick seiner Mutter und seiner normalerweise so würdevollen Großmutter, die sich wie die Mädchen in seiner Schulklasse verhielten, hatte Ty gebannt. »Worüber reden sie da?«, fragte er seinen Vater, der sich mit dem Rücken gegen das Geländer lehnte. »Was ist denn so lustig?«
    »Wer, die da unten?« Tys Vater blickte zum großen Haus hinüber und zuckte mit den Schultern. »Mein Sohn, man kann nie wissen, was eine Frau gerade denkt. Wenn ein paar Hühner zusammenhocken wie die da, dann ist alles möglich. Vielleicht unterhalten sie sich über Schuhe oder Kleidung. Oder über jemanden, der heute Abend nicht dabei ist. Wahrscheinlich reden sie darüber, wie armselig der Mann von irgendeiner ist. Ist aber eigentlich egal. Denn selbst wenn du und ich mittendrin wären, würden wir nicht begreifen, was so lustig ist. Nicht in einer Million Jahren.«

    »Rommee!«, jubelte Ellis und legte die Karten offen auf den Tisch.
    »O nein, nicht schon wieder.« Dorie fächerte ihr Blatt so auf, dass die anderen es sehen konnten. »Ich hab noch die ganze Hand voller Asse und Könige. Schon wieder.« Sie zählte die Karten

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