Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
es nicht mal versucht.
»Und?«, fragte er. »Bist du noch in Nag’s Head? Mit den anderen?«
»Ja.« Dämliche Frage! Er wusste doch ganz genau, wo sie war.
»Und, wie läuft es?«, wollte er wissen. »Ist es da so heiß wie hier bei uns?«
»Vielleicht ein bisschen kühler«, antwortete sie. »Am Sonntag hat es heftig geregnet, da hat sich die Luft abgekühlt. Wie ist es unten bei dir?«
Das war ja albern, dachte Dorie. Wenn sie einen Wetterbericht wollte, könnte sie einfach im Internet nachsehen. Schluss jetzt mit der Verzögerungstaktik!
»Wie immer«, sagte Stephen träge. »Savannah im August halt: heiß und stickig, schwül. Fast unerträglich.«
»Wie geht es deinem Vater?«, fragte Dorie. »Etwas besser?«
»Oh.« Stephen verstummte. »Ach je, Dorie, ich … weißt du es denn gar nicht?«
»Was weiß ich?«
»Dorie, ich hab dir eine Nachricht hinterlassen. Zu Hause auf dem Telefon. Ich dachte, du wüsstest Bescheid. Mein Vater … ach, du meine Güte … Dorie, wir haben Dad verloren. Wann war das? Vor einer Woche? Ich dachte, du wüsstest Bescheid.«
»Was?«, rief sie. »Woher sollte ich das denn wissen? Ich hab doch noch nie eine Fernabfrage von unserem Anrufbeantworter zu Hause gemacht, Stephen, das weißt du genau. Warum hast du mich nicht auf dem Handy angerufen?«
»Es ging alles so schnell«, erwiderte er, und seine Stimme klang abwehrend. »Am Donnerstag kam er ins Hospiz, und meine Mutter dachte, wir hätten noch ein bisschen Zeit mit ihm. Aber am nächsten Morgen, kaum dass sie ihn dort besuchte, war er einfach … sein Herz hatte aufgehört zu schlagen.«
»Stephen!« Dorie weinte. »Das tut mir unglaublich leid.« Es tat ihr leid, weil Henry so ein netter Mensch gewesen war. Es tat ihr leid um Stephens Mutter, eine stille, reservierte Frau aus dem Mittleren Westen, die mit »Mom« anzusprechen Dorie immer schwer gefallen war. Und ja, sie weinte auch um Stephen, um sich selbst und um das Kind, das sie in sich trug und das niemals seinen Opa Henry kennenlernen würde.
»Wie kommt deine Mutter damit klar?«
»Nun ja«, sagte er. »Sie ist traurig, er fehlt ihr, aber sie gehört ja nicht zu denen, die viele Worte um so was machen. Stoisch ist wohl der richtige Ausdruck dafür.«
»Wurde er denn schon beerdigt?«, fragte Dorie und setzte sich auf. Mit dem Ende der Bettdecke tupfte sie sich die Augen trocken.
»Ähm, ja«, sagte Stephen. »Die Beerdigung war Ende letzter Woche.«
»Und du bist nicht auf die Idee gekommen, mich mal anzurufen? Um mir Bescheid zu sagen?« Dories Stimme wurde lauter und ihr Gesicht heiß. »Das finde ich unmöglich.«
»Ich hab … ich weiß es nicht«, seine Stimmer wurde immer leiser. »Es tut mir leid, Dorie. Nach allem, was mit uns passiert ist, wusste ich nicht, ob es dich, na ja, interessieren würde.«
»So ist das also?«, rief sie. »Du schläfst mit jemand anderem, ziehst aus und meinst, das wär’s gewesen? Unsere gemeinsame Vergangenheit, was wir zusammen erlebt haben, das ist alles vorbei, weil du beschlossen hast, dass du mich nicht mehr liebst?«
»Dorie!« Stephens Stimme brach. »Hör auf. Du weißt genau, dass es nicht so ist.«
»Nein, Stephen«, sagte sie. »Ich weiß nicht, wie es ist. Woher auch? Wir haben den ganzen Sommer nicht miteinander geredet.«
»Ich hab versucht, dich zu erreichen. Ich bin bei dir vorbeigefahren. Du hast mich gesehen. Das weiß ich genau. Es tut mir leid, dass ich dir das mit Dad nicht erzählt habe. Wirklich. Er hatte dich sehr lieb, Dorie.«
»Ich ihn auch«, sagte sie. »Weshalb es auch so wehtut, dass du mir nichts erzählt hast.« Sie war unglaublich zickig, gefühllos, ja grausam. Sie hörte sich genauso an wie ihre Mutter, wenn sie ihren Vater angekeift hatte. Aber Dorie konnte einfach nicht aufhören. »Ich will dich mal was fragen, Stephen.«
»Was denn?«
»Hast du Matt vom Tod deines Vaters erzählt?«
»Hör auf, Dorie!«, mahnte er.
»Sag einfach! Hast du?«
»Ja, sicher. Er stand ja direkt neben mir, als der Anruf kam.«
»Und war Matt auf der Beerdigung deines Vaters?«
»Liebe Güte. Nein. Hör auf, Dorie! Ich meine, was soll das alles?«
»Ist er mit dir nach Omaha gefahren, ja?«
»Darüber rede ich nicht mit dir.«
»Ist er, oder nicht?«
»Hör auf damit!«
»Nein. Ich höre nicht auf. Ich habe ein Recht zu wissen, wer meinen Platz einnimmt. So, ich denke, es steht fest, dass Matt mit dir in Omaha war. Wie hast du ihn denn deiner Mutter vorgestellt? Hast du
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