Die Sommerfrauen: Roman (German Edition)
womöglich Probleme geben. Andererseits steckte er selbst in der Klemme. Es war Mitte August, und der September rückte immer näher. Er musste dringend Geld verdienen, und zwar schnell. Ty schaute zu Ellis hinüber, die seinen Blick erwiderte. Sie lächelte, hob die Augenbrauen und winkte ihm schüchtern zu.
Er seufzte. »Eine halbe Stunde wirst du mich entbehren müssen. Dann bin ich wieder da und bleibe bis zum Ende. Aber das ist das letzte Mal heute. Und es wird dich was kosten.«
»Egal«, sagte Angie eindringlich. »Was immer du willst.«
»Du zahlst mir heute Abend zwanzig pro Stunde«, sagte Ty. »Plus Tip. Und du zweigst nichts davon für dich ab. Nella und ich wissen, wie viel wir ungefähr machen, und wenn du versuchst, uns zu bescheißen, ist es das letzte Mal, dass ich einen Fuß in diesen Laden gesetzt habe, verstanden?«
»Das ist Erpressung.«
»Genau«, sagte Ty. »Aber du kannst dich ja weigern zu zahlen, dann mache ich einen schönen Spaziergang.«
»Hi«, sagte Ty und setzte sich neben Ellis.
»Selber hi«, sagte Ellis. »Ganz schön viel los heute, was?«
»Allerdings. Und ich hab eine schlechte Nachricht. Das Mädel, das um neun kommen sollte, um mich abzulösen, ist nicht aufgetaucht. Das bedeutet, dass ich bleiben und bis zum Schluss durcharbeiten muss – vor eins bin ich auf keinen Fall hier raus.«
»Oh«, machte Ellis und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Das ist aber schade.«
»Das ist total beschissen«, sagte Ty. »Aber auf die Schnelle bekommen sie niemand, also muss ich ran. Pass auf, ich hab jetzt ungefähr eine Viertelstunde Pause. Ich fahr dich nach Hause, und wenn du Lust hast, unsere Verabredung zu verschieben, können wir vielleicht an einem anderen Abend zusammen ausgehen.«
»Klar«, Ellis versuchte, unverbindlich zu klingen. »Aber mach dir keine Sorgen um mich. Ich kann mir auch ein Taxi nehmen oder so …«
»Auf gar keinen Fall.« Ty hielt ihr die Hand hin. »Komm! Je schneller wir hier raus sind, desto mehr Zeit kann ich mit dir verbringen.«
»Höchstens fünfzehn Minuten.«
Zehn Minuten später bogen sie in die Auffahrt von Ebbtide ein. Das Licht auf der Veranda brannte, auch Madisons Zimmer im obersten Stock war erleuchtet, der Rest des Hauses lag im Dunkeln.
Ty ließ den Motor des Bronco laufen. »Das ist echt ätzend«, sagte er genervt.
»Ist schon gut«, gab Ellis zurück. »Wir waren ja nicht verabredet oder so.«
»Nein, verabredet waren wir nicht, aber trotzdem finde ich das nicht gut«, sagte Ty. »Wie wär’s mit einem anderen Abend diese Woche? Die meisten guten Restaurants haben montags geschlossen. Vielleicht Dienstagabend?«
»Hm«, machte Ellis. Ihr Hirn war wie erstarrt. Ty lud sie ein! Er wollte sich mit ihr verabreden. Auf einmal war sie wieder fünfzehn, wie gelähmt vor Angst und bekam die Zähne kaum auseinander.
»Besser Mittwochabend?«, fragte Ty.
»Nein, ich meine, ja, Dienstagabend wäre schön«, brachte Ellis schließlich hervor.
»Super.« Ty klang erleichtert.
Dankbar, dass der unbehagliche Moment verstrichen war, tastete Ellis nach dem Türgriff. Doch bevor sie ihn fand, sprang Ty aus dem Wagen, lief herum und öffnete ihr die Tür.
Er nahm ihre Hand und half ihr aussteigen, dann zog er sie in einer fließenden Bewegung an sich, so ungezwungen, wie er es in tausend anderen sternenerfüllten Sommernächten getan haben mochte. Und zu Ellis’ Erstaunen fanden ihre Arme den Weg um seinen Hals, so als hätte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan. Eine Locke ihres schwarzen Haares lag auf ihrer Schulter, Ty schob sie Ellis hinters Ohr, küsste zuerst ihre Schulter und dann das Ohr. Schließlich fanden sich ihre Lippen. Er betastete sie mit seiner Zunge. Da summte es plötzlich in der Tasche seiner Jeans, kurz darauf klingelte es.
»Verflucht«, sagte er und ließ Ellis nur widerstrebend los. »Das ist Angela, die drängelt schon, dass ich zurückkommen soll. Muss leider los.«
Er küsste Ellis’ Nasenspitze. »Fortsetzung folgt, ja?«
»Gern«, stimmte Ellis zu. »Auf jeden Fall.«
Sie bemühte sich, forsch die Stufen von Ebbtide hinaufzusteigen, drehte sich an der Tür um und sah Tys Wagen nach, der rückwärts aus der Auffahrt fuhr. Vor sich hinsummend tanzte sie durchs Erdgeschoss, überprüfte die Türen, verkorkte eine Flasche Wein, die jemand auf dem Küchenschrank hatte stehen lassen, und machte das Licht aus.
Ellis war schon auf der Hälfte der Treppe, als sie erkannte, welche
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