Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
Vom Netzwerk:
schließlich mitgebracht hat. Das ist in solchen Situationen meine Trumpf karte: Ja, alle anderen sind schlau, alle anderen sind cool, alle anderen sind fit und sehen gut aus – aber dich hat sie mitgebracht. Das musst du vor dir hertragen wie eine Auszeichnung, wie eine Plakette.
    Ich schaue an mir hinunter und stelle fest, dass auf meinem Besucherschild genau das steht –
    N AME : Clay Jannon
    F IRMA : Buchhandlung Penumbra
    G ASTGEBER : Kat Potente
    – darum ziehe ich es ab und bringe es etwas höher am Hemd an.
    Wie versprochen ist das Essen fantastisch. Ich nehme mir zwei große Löffel Linsensalat und eine dicke rosa Scheibe Fisch, sieben kräftige grüne Spargelstangen und einen auf Knusprigkeit optimierten Keks mit Schokoladensplittern.
    Kat winkt mich zu sich an einen Tisch nahe am Außenrand des Pavillons, wo eine jähe Brise die weiße Plane bauscht. Kleine Lichtstreifen tanzen über den Tisch, auf dem eine mit blauem Raster bedruckte Papiertischdecke liegt. Bei Google essen sie ihr Lunch auf Millimeterpapier.
    »Das ist Raj«, sagt sie und deutet mit einer Gabel voller Linsensalat (der genau wie meiner aussieht) auf den Doktortitel-Skater. »Wir waren zusammen an der Uni.« Kat hat Symbolic Systems in Stanford studiert. Sind hier alle in Stanford gewesen? Kriegt man da nach dem Abschluss einfach automatisch einen Job bei Google?
    Raj sagt jetzt etwas und wirkt plötzlich zehn Jahre älter. Seine Stimme ist markant und direkt. »Und, was machst du?«
    Ich hatte gehofft, dass diese Frage hier tabu wäre und man sie durch ein seltsames Google-Äquivalent ersetzen würde, wie zum Beispiel: Was ist deine Lieblingsprimzahl? Ich zeige auf mein Schild und bekenne, dass ich beim Gegenteil von Google arbeite.
    »Ah, Bücher.« Raj hält einen Moment inne und kaut. Dann rastet in seinem Gehirn etwas ein: »Weißt du, alte Bücher sind ein großes Problem für uns. Überhaupt altes Wissen – old knowledge oder OK , wie wir es nennen. Old knowledge, OK . Wusstest du, dass fünfundneunzig Prozent des Internets erst in den letzten fünf Jahren entstanden sind? Nun wissen wir aber, dass das Verhältnis genau umgekehrt ist, wenn es um das gesamte menschliche Wissen geht – dass OK sogar das meiste davon ausmacht, was die meisten Leute wissen und je gewusst haben.«
    Raj blinzelt nicht, und möglicherweise atmet er auch nicht.
    »Also wo steckt es, stimmt’s? Wo ist das OK ? Naja, in alten Büchern, so viel ist klar« – er entfernt die Kappe von einem Fineliner (wo kommt der plötzlich her?) und fängt an, auf das Millimeterpapier-Tischtuch zu zeichnen –, »und auch in den Köpfen der Menschen, eine Menge traditionelles Wissen, traditional knowledge, TK . OK und TK .« Er zeichnet kleine sich überschneidende Kleckse und beschriftet sie mit Akronymen. »Stell dir vor, wir könnten all dieses O K / TK jederzeit jedem zugänglich machen. Im Netz, auf deinem Handy. Keine Frage würde je unbeantwortet bleiben.«
    Was wohl in Rajs Essen ist?
    »Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren, fermentierte Teeblät ter«, sagt er, immer noch kritzelnd. Er setzt einen einzelnen Punkt neben die Kleckse und quetscht den Marker aufs Papier, dass die schwarze Tinte herausblutet. »Das haben wir bisher in der Big Box gespeichert«, sagt er und zeigt auf den Punkt, »und überleg dir mal, wie wertvoll es ist. Wenn wir das alles hier hinzufügen könnten« – er fegt mit der Hand über die O K / TK -Kleckse wie ein General, der eine Eroberung plant – »dann könnten wir wirklich ernsthaft loslegen.«
    »Raj ist schon lange bei Google«, sagt Kat. Wir verlassen die Kantine und schlendern nach draußen. Ich habe mir im Vorbeigehen einen zweiten Keks geschnappt und knabbere jetzt daran. »Er hat schon vor dem IPO hier gearbeitet und war ewig PM .«
    Die mit ihren Akronymen! IPO ist klar: Börsengang. Das andere meine ich aber auch zu kennen. »Warte mal« – ich bin leicht verwirrt –, »Google hat einen Premierminister?«
    »Ha, nein«, sagt sie. »Produktmanagement. Es ist ein Komitee. Ursprünglich bestand es aus zwei Personen, dann waren es vier, heute ist es größer. Vierundsechzig. Die Leute vom PM haben das Sagen im Unternehmen. Sie bewilligen neue Projekte, beauftragen die Techniker, verwalten die Mittel.«
    »Dann sind das alles Topmanager.«
    »Nein, das ist es ja gerade. Es ist wie bei einer Lotterie. Dein Name wird gezogen, und du bist zwölf Monate beim PM . Jeder kann drankommen. Raj, Finn, ich.

Weitere Kostenlose Bücher