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Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
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Orange.
    »Wir werden den Laden hier dokumentieren«, sagt Mat. Er stemmt die Fäuste in die Hüften und schaut sich anerkennend um. »Das muss festgehalten werden.«
    »Wie, also wird das so was wie – ein Fotoshooting?«
    Mat schüttelt den Kopf. »Nein, das wäre ja dann nur eine Auswahl. Ich hasse das. Wir machen ein Bild von jeder Oberfläche, von jedem Winkel. Unter hellem, gleichmäßigem Licht.« Er hält inne. »Damit wir das Ganze nachbauen können.«
    Mein Unterkiefer klappt herunter.
    Er fährt fort: »Ich habe schon fotografische Rekonstruktionen von Schlössern und Villen gemacht. Diese Buchhandlung ist winzig. Das werden höchstens drei- bis viertausend Aufnahmen.«
    Mats Vorhaben ist total größenwahnsinnig, zwanghaft und vermutlich unmöglich. Mit anderen Worten: genau das Richtige für diesen Laden.
    »Und, wo ist die Kamera?«, frage ich.
    Wie auf Stichwort klingelt das Glöckchen über der Tür ein zweites Mal, und Neel Shah kommt mit einer von seinem Hals baumelnden, monstermäßigen Nikon und einer Flasche Grünkohlsaft in jeder Hand hereingepoltert. »Hab uns was zur Stärkung besorgt«, sagt er und hält sie hoch.
    »Ihr beiden seid meine Assistenten«, sagt Mat. Er tippt mit der Schuhspitze gegen den schwarzen Plastikkasten. »Fangt schon mal an aufzubauen.«
    Der Laden birst vor Licht und Hitze. Mats Lampen sind in einer Daisy Chain miteinander verbunden und in die einzige Steckdose hinter dem Schreibtisch am Eingang gestöpselt. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Sicherung durchknallt oder vielleicht sogar der Trafo für die ganze Straße. Booty’s Leuchtreklame könnte heute Nacht in Gefahr sein.
    Mat steht auf einer von Penumbras Leitern. Er benutzt sie als provisorischen Kamerawagen, während Neel ihn langsam über die ganze Breite des Ladens schiebt. Mat hält die Nikon ruhig vors Gesicht und schießt bei jedem von Neels langen, gleichmäßigen Schritten ein Foto. Die Kamera löst die Lampen aus, die in allen Ecken und hinter dem Ladentisch am Eingang angebracht sind und bei jeder Aufnahme ein Pop-Pop von sich geben.
    »Weißt du«, sagt Neel, »wir könnten diese Aufnahmen verwenden, um ein 3-D-Modell zu basteln.« Er schaut zu mir herüber. »Ich meine, noch eins. Deins war gut.«
    »Nein, nein, versteh schon«, sage ich. Ich sitze am Schreibtisch und führe eine Checkliste über alle Details, die wir einfangen müssen: die hohen Lettern an den Schaufenstern und ihre rauen, ausgefransten, von den Jahren angefressenen Ecken. Das Glöckchen mit seinem Klöppel und die gewundende Eisenklammer, an der es befestigt ist. »Meins sah aus wie Galaga.«
    »Wir könnten es interaktiv machen«, sagt Neel. »Ich-Perspektive, total fotorealistisch und durchsuchbar. Man könnte die Tageszeit wählen. Wir könnten die Regale Schatten werfen lassen.«
    »Bloß nicht«, stöhnt Mat auf seiner Leiter. »Diese 3-D-Modelle sind scheiße. Ich möchte einen Miniaturladen mit Miniaturbüchern bauen.«
    »Und einem Miniatur-Clay?«, fragt Neel.
    »Warum nicht, vielleicht ein kleines Lego-Männchen«, sagt Mat. Er zieht sich höher an der Leiter hinauf, und Neel schiebt ihn in der Gegenrichtung wieder langsam durch den Laden. Die Lampen machen Pop-Pop und hinterlassen in meinen Augen rote Punkte. Neel zählt die Vorteile von 3-D-Modellen auf, während er die Leiter bewegt: Sie sind detaillierter, immersiver, man kann unendlich viele Kopien davon machen. Mat stöhnt. Pop-Pop .
    Bei all dem Lärm überhöre ich fast das Läuten.
    Es ist nicht mehr als ein Kitzeln im Ohr, aber doch: Irgendwo im Laden klingelt ein Telefon. Ich nehme die Ab kürzung durch die parallel zum Fotoshooting stehenden Regale, wo die Lampen immer noch Pop-Pop machen, und komme bei dem kleinen Pausenraum wieder heraus. Das Läuten dringt aus Penumbras Büro. Ich stoße die Tür mit der Aufschrift PRIVAT auf und springe die Treppe hinauf.
    Das Pop-Pop der Lampen klingt hier oben weicher, und das Dring-Dring des Telefons (neben dem alten Modem) ist laut und hartnäckig, produziert von irgendeinem leistungsstarken, altmodischen mechanischen Krachmacher. Es läutet anhaltend, und ich habe den Verdacht, dass meine übliche Strategie, unerwartete Anrufe betreffend – sie auszusitzen –, hier möglicherweise nicht funktioniert.
    Dring-Dring .
    Heutzutage bringt das Telefon nur schlechte Nachrichten. Es geht immer nur um Dinge wie »Die Rückzahlung Ihres Studienkredits ist überfällig« oder »Dein Onkel Chris liegt im Krankenhaus«.

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