Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition)

Titel: Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Sloan
Vom Netzwerk:
trägt den verbogenen Plakatkarton zum Müll hinaus. Ich rolle die orangefarbenen Kabel zusammen und räume den Schreibtisch im Eingangsbereich auf. Alles sieht aus wie immer; alles ist an Ort und Stelle. Und trotzdem ist eins anders. Wir haben Fotos von jeder Oberfläche gemacht, von den Regalen, vom Schreib tisch, von der Tür, vom Fußboden. Wir haben auch Fotos von den Büchern gemacht, von allen, von denen im Eingangsbereich und auch von den Ladenhütern. Ihren Inhalt haben wir natürlich nicht eingefangen – das wäre ein Projekt von einer anderen Größenordnung. Wenn ihr jemals Super Bookstore Brothers spielt, rosa-gelbes Licht durch die Schaufenster in den Laden fällt, im hinteren Bereich ein Trickeffekt aus trübem Teilchendunst aufsteigt und ihr feststellt, dass ihr eins von den wunderschön gemaserten Büchern auch gern lesen würdet: Pech gehabt. Neels Modell entspricht zwar dem Volumen des Ladens, aber nicht dessen Dichte.
    »Frühstück?«, fragt Neel.
    »Frühstück!«, bestätigt Mat.
    Also gehen wir. Das war’s. Ich schalte das Licht aus und ziehe die Tür fest hinter mir zu. Das Glöckchen bimmelt fröhlich. Zu einem Schlüssel habe ich es nie gebracht.
    »Lass mal die Fotos sehen«, sagt Neel und greift nach Mats Kamera.
    »Noch nicht, noch nicht«, sagt Mat und klemmt sie sich unter den Arm. »Ich muss sie noch korrigieren. Das ist ja nur Rohmaterial.«
    »Korrigieren? Wie Klassenarbeiten?«
    »Farbkorrekturen. Übersetzt heißt das: Ich muss sie hammermäßig aussehen lassen.« Er schaut ihn skeptisch an. »Ich dachte, du arbeitest mit Filmstudios zusammen, Shah.«
    »Das hat er dir erzählt?« Neel wirbelt zu mir herum und sieht mich aus großen Augen an. »Du hast es ihm erzählt? Es gibt Verträge! «
    »Du solltest nächste Woche mal bei ILM vorbeikommen«, sagt Mat ruhig. »Ich zeig dir ein paar Sachen.«
    Beide sind auf dem Bürgersteig schon ein ganzes Stück weiter, fast bei Neels Auto, aber ich stehe immer noch vor den breiten Schaufenstern mit den großen goldenen Lettern: B UCHHANDLUNG P ENUMBRA, in der schönen Gerritszoon-Schrift. Drinnen ist es dunkel. Ich presse meine Hand auf das Symbol der Gemeinschaft – zwei Hände, geöffnet wie ein Buch –, und als ich sie wieder wegnehme, bleibt ein fettiger, fünffingriger Abdruck zurück.

EINE RICHTIG GROSSE KANONE
    E ndlich ist die Zeit gekommen, einen Code zu knacken, der fünfhundert Jahre lang darauf gewartet hat.
    Kat hat Googles Datenvisualisierungs-Amphitheater mit den riesigen Monitoren gebucht. Sie hat Tische vom Kantinenzelt heranschaffen und am Fuß der Sitzreihen aufstellen lassen; es sieht aus wie ein Raketenkontrollzentrum auf einer Picknickwiese.
    Es ist ein herrlicher Tag; der strahlend blaue Himmel ist mit weißen Wolkenfetzen gesprenkelt, voller Kommata und Kringel. Kolibris umkreisen neugierig die Bildschirme und schwirren dann über die leuchtenden weiten Rasenflächen blitzartig davon. Von irgendwoher weht Musik herüber; Googles Blechbläser proben einen algorithmisch generierten Walzer.
    Unten baut Kats handverlesenes Codeknackerteam seine Instrumente auf. Laptops werden hervorgeholt, jeder vollgepappt mit einer individuellen Ansammlung von bunten Stickern und Hologrammen, und jetzt stöpseln sich die Googler in die Strom- und Glasfaseranschlüsse ein und verschränken und dehnen erwartungsvoll die Finger.
    Igor ist auch dabei. Sein genialer Auftritt in der Buchhand lung hat ihm eine besondere Einladung verschafft: Heute darf er in der Big Box mitspielen. Er sitzt über seinen Laptop gebeugt, die dünnen Hände nur noch als bläuliche Farbwirbel auf der Tastatur wahrnehmbar, während ihm zwei andächtig staunende Googler über die Schulter schauen.
    Kat macht die Runde, bespricht sich mit jedem einzelnen Googler. Sie lächelt und nickt und klopft ihnen auf die Schulter. Heute ist sie ein General, und das sind ihre Truppen.
    Tyndall, Lapin, Imbert und Fedorov sind gekommen, zusammen mit dem Rest der hier beheimateten Novizen. Sie sitzen nebeneinander auf der höchsten steinernen Stufe am oberen Rand des Amphitheaters. Weitere treffen ein. Muriel mit dem Silberhaar ist da und auch Greg, der Googler mit dem Pferdeschwanz. Heute hat er sich zu den Leuten vom Ungebrochenen Buchrücken gesellt.
    Die meisten Mitglieder der Gemeinschaft haben die spä ten mittleren Jahre erreicht. Manche, wie Lapin, wirken ziem lich alt und ein paar sogar noch älter. Da ist ein uralter Mann im Rollstuhl, dessen Augen sich in

Weitere Kostenlose Bücher