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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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Form, bewußt-unbewußt. Der Ort ist immer die Mitte in einem Gewirr von Bezügen. Aber Freud täuscht sich, wenn er glaubt, das Ich könne, bei aller Macht des Un- und Vorbewußten, hier verortet werden. Das Ich im Zentrum der Ortlosigkeit ist so ungewiß wie der Ort Gottes.
Der Tod im Schrank
    Olaf Brot wurde tagsüber von einem Pflegedienst betreut. Nach einer mißlungenen Hüftoperation war er nicht mehr gut zu Fuß, es mußte für ihn eingekauft, ein Mittagessen bestellt werden. Im übrigen hatte er sich eine gewisse Selbständigkeit bewahrt, vermochte sich Brote zu streichen, wusch und rasierte sich, er war kein schwerer Pflegefall. Die Auszubildende der Pflegestelle kam einmal täglich für fünf Minuten, riß den Küchenschrank auf und räumte die neuen Lebensmittel ein. Dabei bemerkte sie flüchtig die Damen, die an den Innenseiten der Türen klebten, sorgfältigst im Umriß aus Fernsehzeitschriften ausgeschnitten, leichtest bekleidet, aber nicht nackt. Sie schloß den Schrank verhältnismäßig behutsam, warf die Wohnungstür zu, hatte die Bilder schon wieder vergessen. Im übrigen war die Wohnung der Brots auf das konventionellste eingerichtet. Ein gerahmter Druck über dem Sofa, auf der Fensterbank ein paar Blumen aus Kunststoff, kein Überfluß. Er war verheiratet gewesen, im Schlafzimmer stand noch das Ehebett.
    Früh, wenn der Kaffee durchlief, pflegte er den Schrank für eine Weile offen zu lassen und seine Damen zu betrachten. Sie ließen es zurückhaltend geschehen, verhielten sich freundlich. Sie standen ihm zur Verfügung. Eines Morgens jedoch starrten sie zurück. Sie starrten durch das transparente Klebeband hindurch auf ihn, ihr Blick war plastikhaft, sie blickten streng. Nur eine sah ihn nicht an, die Blondine, die ihm den Rücken zukehrte, einen gleißenden Rücken aus sehr heller Haut, die Schulterblätter traten wie Flügelansätze hervor, denn sie stützte, seitlich hingelagert, die Arme auf. Weil die anderen starrten, öffnete er den Schrank von nun an seltener. Aber er öffnete ihn doch. Sobald er sich stark genug fühlte, öffnete er ihn, hielt ihrem Blick stand, bis die häßlichen Plastikaugen erloschen. An einem Abend tat er so, als wolle er ein paar gespülte Tassen in den Hängeschrank räumen. Er klappte die Tür auf, die Damen fixierten ihn von oben herab. Es gelang ihm nicht, sie mit dem eigenen flammenden Blick in die Schranken zu weisen. Da er sie nicht niederzwang, flüchtete er sich zu der Blonden, dem Rücken. Die Blonde saß still, als ginge er sie nichts an. Dann, von unten her, verfaulte sie. Ihr Gesäß verfärbte sich, es wurde dunkler, bläulich und roh. Zitternd stieg die faulige Farbe den Rücken hoch, die Wirbel malten sich ab, das Haar ermattete, hing schlammig herunter. Schließlich drehte sie sich zu ihm um.
    Er war in Panik geraten und hatte die Schlauchverlängerung an seinem Wasserkran, mit deren Hilfe er sonst die Teller abspülte, auf die Frauen gerichtet. Das Wasser ganz aufgedreht. Er hatte mehrere Stunden versucht, sie zu löschen, ihren Blick auszulöschen, bis jemand die Tür aufbrach, weil es bei den Nachbarn von der Decke tropfte.
Kreide fressen
    Sie war, obschon selbst noch von jugendlicher Ausstrahlung, von ihrem Ehemann wegen einer Jüngeren verlassen worden und wandte sich dem Alkohol zu. Melinda Aberberg trank mäßig an den Abenden, am Wochenende mehr. Der Alkohol beeinträchtigte sie nicht in der Ausübung ihrer beruflichen Pflichten. Sie arbeitete als Lehrerin für Chemie und Biologie, keine großen Korrekturfächer, es gab Eindeutigkeit. Dennoch fielen ihr die Stunden, die sie in der Schule verbrachte, nicht leicht. Ob es am Alkoholkonsum lag und an den damit einhergehenden, wenn auch gut verborgenen Ausfallerscheinungen, ob der Ex-Mann und dessen beleidigendes Verhalten vorder Trennung eine Rolle spielten, ob es ganz andere, wahrere Gründe gab – jedenfalls stand es um ihr Selbstwertgefühl nicht zum besten, stand ihr die gesunde Selbstachtung nur mehr in einer Schwundstufe zur Verfügung. Die Schüler, die bekanntlich jeder Lehrperson unter die Haut sehen können, ließen es an Respekt fehlen. Sie fand nicht heraus, woran es lag. Kaum betrat sie einen Raum, fielen die Schüler über sie her. Lachten hämisch. Zerrissen sich das Maul. Dabei war sie als Pädagogin nicht unfähig. Konnte den Stoff gut vermitteln. Ihren Unterricht hielt sie nicht anbiedernd, aber auch nicht langweilig, letzteres war ja die große Gefahr bei Chemie. Im

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