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Die Sonnenposition (German Edition)

Die Sonnenposition (German Edition)

Titel: Die Sonnenposition (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Poschmann
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der Cumulonimbusse, die sich über mehrere Kilometer in die Luft erhoben, Stockwerk um Stockwerk. Die Schwüle. Das Weiß und die Würde. Die drückende Übermacht dieser Wolken spiegelte sich in Odilos Gesicht.
    Mila sah in seinen Augen den verwaschenen Horizont, sah die Ungewißheit, ob man sich drinnen oder draußen aufhalten sollte: In den Innenräumen stand noch die heiße Luft, während es draußen schon kühler wurde. Draußen aber flogen die Insekten tiefer. Und bald würde es zu regnen beginnen.
    Schwarz flirrende Wolken standen plötzlich auf der Promenade, Schwärme von Gewitterfliegen. Sie schwebten im Auftrieb der Luft, standen ein paar Meter über dem Boden, sie ließen sich nieder, wo ihre Insektenaugen vielversprechende Farben erspähten, die Illusion von Blütenmeeren, hellen Untergrund.
    Fransenflügler im Ausmaß einer Plage, schwarze Punkte nur, winzige Würmchen, die sich auf den T-Shirts, den Hemdsärmeln krümmten. Sie klammerten sich an sommerliche Kleidungsstücke, die unter ihnen dunkel wurden, besetzten weiße und hellgelbe Flächen, die weiße Plastikbestuhlung vor den Eisbuden, die weißen Schriftzüge auf den roten Sonnenschirmen, sie saßen auf Milas rapsgelbem Kleid. Sinnlos, sie verscheuchen zu wollen, nutzlos, ihnen mit wedelnden Handbewegungen zu kommen, es gab keine Abwehrmaßnahmen. Man schritt durch sie hindurch, ging in einer Begleitwolke von Tierchen, atmete sie ein.
    Sie wunderte sich, daß es den anderen Passanten nichts ausmachte, mit wimmelnden Hemden, schwarzverhängten Wänsten weiterzugehen. Waren sie arglos oder abgestumpft, mit Gleichmut begabt, mit Ignoranz? Auch Odilo schien es nicht zu kümmern, daß sie sich auf ihm niederließen, am Stoff seiner hellen Hosen klebten, er ging einfach weiter, als wisse er genau, daß sich der ganze Spuk in kürzester Zeit wieder auflösen müßte. Aber die Fliegen lösten sich nicht auf.
    Ein Schwan watschelte auf der Promenade, auch er war in eine Wolke geraten, die ihn umschwärmt hatte, die ihm fest anklebte. Er reckte leicht den Hals vor, alle paar Meter schüttelte er sich. Wenn dies einen Effekt hatte, wenn die Tierchen sich hoben, so war dies nicht sichtbar. Sie senkten sich gleich wieder auf sein Weiß, oder sie blieben einfach haften. Der Schwan setzte seinen Weg fort, schaukelte seinen Leib durch die Urlauber, geschwärzter Schwanenleib, gänzlich von Fliegen bedeckt, wie ein Kadaver.
    Mila blieb mitten auf der Promenade stehen, während andere Flanierende an ihr vorbeidrängten, ungerührt, als sei gar nichts vorgefallen. Sie aber sah sich außerstande, mit der Bürde dieser Fliegen weiterzugehen. Für Milas Empfinden hätte es ein lautloses Bild sein müssen, die Urlauber schweigend, der Schlag der Wellen gedämpft. Aber der Lärm war nicht verstummt, Kinder kreischten am Strand, Badende ließen sich nicht abhalten, auch wenn sich die Würmchen auf ihre ungebräunte Hautsetzten, auf die Stellen, wo sich der weiße Schatten eines Tops auf dem Oberkörper abzeichnete. Die Urlauber rückten von ihren Strandgewohnheiten nicht ab, sie traten ans Wasser, wuschen die Gewitterfliegen weg, gingen schwimmen wie immer, und erst wenn sie das Wasser verließen, kamen die Schwärme erneut.
    Odilo wedelte halbherzig ein paar Insekten fort. Die Schleier wichen aus und schlossen sich hinter seiner Hand wieder zusammen, als wäre nichts geschehen. Es irritierte ihn, daß ihm die Situation, auf die er lange hingearbeitet hatte, durch unvorhersehbare Umstände entglitt. Er zog sein Stofftaschentuch hervor und begann, damit über ihr Kleid zu wischen, er zerdrückte die Tierchen, erzielte nichts als einen schmierigen Film. Er erreichte damit, daß sie weiterging, die Arme angewidert zu beiden Seiten gestreckt, wie eine Seiltänzerin, balancierend auf Fliegen.
    Die Gewittertierchen, beruhigte er sie, würden mit dem Ausbruch des Gewitters verschwunden sein. Sie solle sich jetzt ein anderes Kleid anziehen, ein dunkleres, und dann würden sie auf der Hotelterrasse etwas trinken, würden zusehen, wie sich die Wolken ballten.

17 Glanzapparate
    Odilo stand im gerippten Unterhemd am Waschbecken. Er stand in Unterhemd und Unterhose und wusch sich unter den Achseln. Er ließ den Unterarm hängen, die Hand wie abwinkend, hob den Ellbogen hoch, flatterte. Er hantierte in einem Bad, das nach seinem Dafürhalten zu klein war, selbst für das Bad eines billigen Hotels. Er hatte nichts anderes mehr bekommen, es war Hauptsaison. Solide, aber geschmacklos

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