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Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition)

Titel: Die soziale Eroberung der Erde: Eine biologische Geschichte des Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward O. Wilson
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Binnengewässern könnten die Australopithecina auch Krustentiere verzehrt haben.
    Vielleicht, so lautet die traditionelle Argumentation, gaben die Herausforderungen der neuen Umwelt denjenigen genetischen Typen einen Vorteil, die innovative Fertigkeiten aufbringen und einsetzen konnten, um Feinden aus dem Weg zu gehen, und zugleich die Fähigkeit entwickelten, im Kampf um Futter und Reviere Konkurrenten auszustechen. Diese genetischen Typen waren innovationsfähig und in der Lage, von ihren Konkurrenten zu lernen. Sie überlebten die harten Zeiten. Nur die flexible Art entwickelte größere Gehirne.
    Wie behauptet sich diese verbreitete Innovations- und Adaptivitätshypothese, wenn man sie an anderen Tierarten testet? Eine Studie an 600 Vogelarten, die vom Menschen in Gebieten eingeführt wurden, in denen sie nicht heimisch waren, also in artfremde Lebensräume, scheint diese Vorstellung zu stützen.[ 13 ] Die Arten, deren Hirnvolumen im Verhältnis zur Körpergröße größer war, konnten sich durchschnittlich in der neuen Umwelt besser etablieren. Zudem nutzten sie dazu nachweislich ihre größere Intelligenz und Erfindungsgabe. Allerdings ist es vielleicht voreilig, eine erfasste Tendenz von nichtheimischen Vögeln auf die Geschichte des Menschen zu übertragen. Die untersuchten Arten waren ganz plötzlich in die radikal veränderten Lebensräume geworfen worden. Ihre Aussonderung unterschied sich qualitativ sehr stark von dem natürlichen Selektionsdruck, der auf unseren Vorfahren unter den Australopithecina vor dem Homo habilis lastete. Anders als die umgesiedelten Vögel entwickelten sich diese Arten schrittweise über viele tausend Jahre, in denen auch ihre Umwelt sich allmählich veränderte.
    Die Veränderung, die sich entscheidend auf die Evolution der frühen Hominiden auswirkte, bestand wohl eher darin, dass ihnen eine steigende Gesamtfläche von Grasland und Savannenwald zur Verfügung stand. Man sollte sich die Hominiden besser als Spezialisten für genau diese Lebensräume vorstellen statt als Art, die sich auf Veränderungen rund um oder innerhalb ihres Lebensraums anpassen kann. Alle Biologen, die speziell im Savannenwald gearbeitet haben, kennen die schier grenzenlose Vielfalt von Sub-Habitaten, aus denen sich diese Ökosysteme zusammensetzen. Unterschiedlich dichte Waldbestände sind unterbrochen von Streifen offenen Graslands, dazwischen flussnahe Gehölze sowie Inseln dichter Wälder in saisonal überfluteten Bodenmulden. Mit den Jahrhunderten verändern sich die einzelnen Komponenten, eine weicht der anderen, es geht vor und zurück, aber die Häufigkeit jeder einzelnen Komponente und die kaleidoskopischen Muster, die sie gemeinsam bilden, verändern sich sehr viel langsamer, zumindest wenn man Tiergenerationen und die ökologische Zeit als Maßstab ansetzt. Als große Tiere müssen die Hominiden Habitate von mindestens zehn Kilometer Durchmesser bewohnt haben. Bei der Vielzahl der unterschiedlichen vorhandenen Lebensräume konnten sie das Grasland auf der Suche nach Beute und Pflanzennahrung durchstreifen und sich beim Auftauchen eines Raubtiers im Laufschritt in die nahen Gehölze retten, wo sie auf Bäume kletterten und sich versteckten. Sie konnten sowohl im offenen Boden essbare Knollen ausgraben als auch Früchte und essbare Pflanzenspitzen von Büschen und Bäumen im Wald pflücken. Ich vermute, dass sie sich nicht an einen bestimmten dieser lokalen Lebensräumen anpassten oder von einem Ökosystem ins andere überwechselten, sondern sich an die wachsende Ausdehnung und die im Maßstab der Evolution relativ hohe Konstanz der kaleidoskopischen Muster adaptierten, die die örtlichen Gegebenheiten bildeten.
    Wahrscheinlich lebten die frühen Hominiden in Gruppen von bis zu mehreren Dutzend Individuen, so wie unsere engsten noch lebenden Verwandten, der gemeine Schimpanse und der Bonobo. Es klingt nach einer Binsenweisheit: Wenn komplexeres Sozialverhalten die Evolution eines im Verhältnis zur Körpergröße umfangreicheren Gehirns erfordert, dann weist ein größeres Gehirnvolumen auf die Präsenz von Sozialverhalten hin. Demnach wäre ein größeres Gehirn, das in Reaktion auf eine sich wandelnde Umwelt entstanden ist, ein Vorläufer, der die Ausbildung von Sozialverhalten erwarten lässt. Doch als in einer großen Stichprobe lebender und fossiler Fleischfresser, darunter Katzen, Hunde, Bären, Wiesel und ihre Verwandten, ein solches Verhältnis zwischen Hirnvolumen und Sozialverhalten

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