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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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sechzehn Minuten, alle fanden es wunderschön. Niemand hatte die Feuerwand gesehen. Eine halbe Stunde später schützte Henry einen Jetlag vor und verabschiedete sich.
    Man hatte ihm gesagt, dass die U-Bahn St. Paul’s offen sein würde, aber bis dorthin kam Henry erst gar nicht. Die Menge drängte ihn gegen seinen Willen nach Ludgate Hill ab, und er begriff, dass es keinen Sinn hatte, sich dem zu widersetzen. Es schien keine Alternative zu geben,er musste zu Fuß nach Hause gehen. Es hatte zu regnen begonnen, ein feiner, aufdringlicher Nieselregen. In der Fleet Street stieß die Menschenmenge, die westwärts marschierte, auf die Menge, die ostwärts unterwegs war. Henry kam nur noch langsam voran. Eine ganze Weile behielten all diese vielen Menschen ihre gute Laune. Eltern mit müden Kindern in Buggys suchten in Ladeneingängen Schutz vor dem Regen und der Flut der Fußgänger. Henry war heiß, ihn störten die Körperhitze der zu eng aneinandergepressten Fremden und die dicke, feuchte Wolle seines Mantels. Als er sich Aldwych näherte, stolperte er, doch der Druck der Menge hielt ihn auf den Beinen. Henry wandte sich nach links. Er wollte raus aus diesem Zug der Lemminge, wollte über die Waterloo Bridge in die Sicherheit des südlichen Flussufers. Unsinnigerweise war die Brücke gesperrt. Es schien aberwitzig, die Menschen den Strand entlang auf den Trafalgar Square zuzulenken. Henry trat über einen Betrunkenen, der in einem Bett aus zerbrochenen Flaschen lag; das Blut auf den grünen Scherben hatte ein unangenehm kräftiges Rot.
    Henry blieb in der Nähe der Schaufenster und hoffte gegen alle Wahrscheinlichkeit, dass die Gasse beim Savoy Hotel nicht versperrt war und er zum Victoria Embankment fliehen konnte. Die Gasse war frei. Er bog in die Stille ein. Er wünschte nur, dass die Massen ihm nicht folgten.
    Als Henry das Hotel an der Rückseite passierte, hatte er das Gefühl, das Schlimmste sei vorüber. Das Tor zum Park war offen, und er nahm eine Abkürzung durch das Gebüsch. Der Regen hatte den Boden aufgeweicht, Henryglittaus und rutschte auf einer Schlammbahn bis zum Asphalt. Jemand half ihm auf. Die Menschenmenge war, wenn überhaupt, noch dichter als in The Strand. Henry kam sich vor wie ein Fußsoldat an der Somme; vom Sturz in den Schlamm waren Mantel und Schuhe khakifarben. Er war müde und schloss sich dem langsamen Marsch zur Westminster Bridge an. Er wollte über den Parliament Square und von dort nach Belgravia und Chelsea. Er sah auf die Uhr. Er war bereits seit anderthalb Stunden unterwegs.
    Henry näherte sich der Brücke. Junge Leute, hässlich durch Alkohol und Regen, tanzten auf einer schäbigen Bühne, die in den Parkanlagen am Flussufer errichtet worden war. Das Gedränge hier war unerträglich, wie bei vier Fußballstadien, aus denen sich die Zuschauer alle gleichzeitig ergießen. Henry bekam es mit der Angst – fiel er hin, würde man ihn zu Tode trampeln. Er drängte zum Platz hinüber. Ein Mann, der nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt war, meinte: »Machen Sie sich keine Mühe, der Platz ist gesperrt, wir müssen alle über die Brücke.« Henry machte kehrt und wurde vom Schwung der Masse gegen den Rücken eines jungen Mannes gedrückt. Der Mann hieb ihm den Ellbogen in die Brust.
    »Seien Sie nicht albern, ich kann doch nichts dafür – die Menge drängt so.«
    Der junge Mann drehte sich zu ihm um. Wieder schob die Menge Henry nach vorn, und er wurde gegen die Lederjacke des Mannes gedrückt. Henry spürte eine Stiefelspitze gegen sein Schienbein treten.
    »Ach, seien Sie doch nicht so kindisch.« Noch während Henry das sagte, wusste er, das war das falsche Wort gewesen. Der Mann senkte den Kopf und stieß ihn hart gegen Henrys Nasenrücken. Henry sackte zusammen, ihm war schwindlig, der Schmerz brannte, aber er fiel nicht um. Die Menge hielt ihn aufrecht. Eine Illusion von Härte durchfuhr ihn – er war der Mann, der sich nicht umhauenließ –, dann bewegte sich die Menge ein wenig, und er sank zu Boden.
    »Zurück! Zurück! Da liegt einer!«
    Henry wurde auf den Bürgersteig gezogen und an die Balustrade gelehnt. Er war bei Bewusstsein; die ganze Situation war ihm peinlich. Die Menschen stiegen über seine ausgestreckten Beine, manchmal wenig erfolgreich. Er war nur ein Mann, der zu lange gefeiert hatte, das Blut in seinem Gesicht Beweis für einen Sturz aus Trunkenheit. Er blutete an der Stirn, aber seine Nase schien nicht gebrochen zu sein.
    Henry hielt sich

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