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Die spaete Ernte des Henry Cage

Die spaete Ernte des Henry Cage

Titel: Die spaete Ernte des Henry Cage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Abbott
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im Telcote Café in der Nähe der Schule. Sie finanzierte ihre Mahlzeiten durch wohldosierte Griffe ins Portemonnaie ihrer Mutter, was Mrs Singer wohl bemerkte, aber unerwähnt ließ. Wurde sie ab und zu von Lehrern gesehen, wie sie im Telcote zu Abend aß, erklärte sie, dass ihre Eltern beide erst spät von der Arbeit nach Hause kommen würden. Bei den Elternabenden wurden die Singers mit der kalten Höflichkeit begrüßt, die schlechten Eltern vorbehalten war.
    Maude blieb drei Tage in Bristol. Ihr Entschluss, nach London zurückzukehren, wurde weder mit offenkundiger Erleichterung noch mit Bedauern aufgenommen.
    »Ich gehe jetzt«, erklärte Maude.
    »Du wirst das schon machen, Maude. Wie immer.«
    Diese Artigkeiten tauschten sie aus, während Mrs Singer auf der Toilette saß, die sich zwischen zwei Stockwerken befand; ihre Stimme drang nur schwach durch die Tür.
    Maude, die zum Bahnhof wollte, war schon fast unten.
    »Vielen Dank für unser nettes Gespräch«, rief sie.
    Eine Woche später kehrte Maude zur Arbeit in der Brasserie zurück. Sie lag mit der Miete im Rückstand, und das Geld war wichtiger als ihre Flucht vor Henry. In der Zwischenzeit hatte sich ihre Sorge, ihn wiedersehen zu müssen, etwas gelegt. Schließlich war er ein vernünftiger Mensch, und sie konnte mit verletzten Gefühlen umgehen. Es war ein Fehler gewesen, sich so nahezukommen, aber es war ja kein nennenswerter Schaden entstanden.Sie rief sich in Erinnerung, dass sie schon immer gut darin gewesen war, Dinge zu beenden, und die törichten Träume von Paris und Rom waren längst verblasst. Doch trotz all ihrer guten Absichten ertappte sie sich dabei, dass sie jeden Morgen nach Henry Ausschau hielt, und die allmähliche Erkenntnis, dass er seine Routine geändert hatte, ärgerte sie. Das war ein Schlag, der, wenn schon nicht ihr Herz, so doch ihren Stolz empfindlich traf.
    Es war warm geworden, der Südwind brachte einen falschen Frühling nach London. Plötzlich wollten alle draußen einen Tisch; Maude war froh über die zusätzliche Arbeit. Fleiß brachte mehr Trinkgeld und ließ ihr weniger Zeit zum Grübeln. Sie erkannte, dass sie mit ihrem Leben im Nichts hing, ohne Bindungen an irgendetwas oder an irgendjemanden und in einem Job ohne Bedeutung. An ihren freien Tagen blieb sie im Bett. Bis zum Zahltag gab es in ihrer Wohnung nur wenig zu essen. Am Tisch für die Bediensteten langte sie so unauffällig wie möglich herzhaft zu.
    Eines Abends kam sie spät von der Arbeit nach Hause und fand einen Brief von Henry auf dem Sims im Flur des Erdgeschosses vor. Voller Verwunderung erkannte sie die amerikanischen Briefmarken. Auf die Rückseite des Umschlags hatte er geschrieben: »Zurück an Absender, falls unbekannt«, daneben seine Londoner Adresse. Maudeging die Treppe hinauf und ließ sich aufs Bett fallen, bevor sie den Brief öffnete. Er war auf Hotelbriefpapier geschrieben.

    Liebste Maude,

    ich weiß nicht, ob dieser Brief Dich erreichen wird. Man hat mir in der Brasserie gesagt, Du seist nach Bristol zurückgezogen. Ich hoffe, Du lässt Dir die Post nachschicken. Wie Du siehst, bin ich gerade in Florida und werde wohl auch noch eine Weile bleiben. Ich schreibe Dir, um mich dafür zu entschuldigen, dass ich neulich im Wagen so sentimental war.

    Alles Liebe, Henry

    Maude faltete den Brief sorgsam zusammen und riss ihn dann in kleine Stücke.

26.
    Wenn Colin Eileen schlug, achtete er stets darauf, die Hand nicht zur Faust zu ballen und ihr nur eine Ohrfeige zu verpassen. Er konnte es sich nicht leisten, blaue Flecken zu hinterlassen, die man auf den Bildern hätte sehen können. Vor allem jetzt nicht, da ihr Körper gerade in einer Broschüre für ein örtliches Sonnenstudio abgebildet war. Nicht die Art von Job, die er wirklich für sie wollte, aber immerhin ein Anfang.
    »Sorry, Schätzchen, mir ist nur die Sicherung durchgebrannt.«
    »Aber nur die kleine Sicherung, damit du keine Spuren hinterlässt, richtig?«
    Jetzt würde sie wieder ein paar Tage schmollen. Früher hatte er sie in null Komma nichts rumkriegen können.
    »Tut mir leid.«
    »Hau ab. Du interessierst dich gar nicht für mich. Wirst du noch da sein, wenn ich vierzig bin und mir die Brüste bis auf den Boden hängen? Das glaub ich nicht.«
    »Ist ja noch lange hin, Schätzchen.« Colin zwang sich zu einem Lächeln und legte ihr den Arm um die nackten Schultern. Sie schüttelte ihn ab.
    Er gab ihr noch eine Ohrfeige. Eileen kreischte, ließ sich aufs Bett plumpsen

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