Die Spiele des Computer-Killers
erscheint denn, wenn du dich einloggst?« fragte ich.
»Bei den Spielen? JJ 1000.«
»JJ 1000?«
»Ja.«
»Und wer ist JJ?« fragte ich.
»Keine Ahnung.«
Ich konnte mir ziemlich genau denken, was es bedeutete. JJ konnte nur die Abkürzung für Julie Jones sein. Die Leute benutzten gern die Initialen ihrer Lieben als Paßwort und für alles mögliche.
»Und was erscheint dann?«
»Gar nichts. Du wirst nach deiner Kreditkartennummer gefragt und darauf aufmerksam gemacht, daß du ein Pony brauchst, weil die Grafik sonst nicht funktioniert.«
»Und was siehst du dann? Grafik? Text?«
»Beides. Grafik für die Szenerie. Text für die Anweisungen und die Story. Nach gescannten Fotos kann man sich die Figur aussuchen, die man übernehmen möchte. Die erscheinen gleich zu Anfang auf dem Bildschirm.«
»Erzähl mir nicht, es gibt auch noch komplette bewegliche Videos.«
»Nein, dafür sind die Rechner nicht leistungsfähig genug, und die Datenleitungen sind auch nicht so zuverlässig. Schon schlichte, gewöhnliche Grafik macht die Spiele langsamer. Du weißt schon, es dauert dann ewig, bis eine Figur von A nach B über den Bildschirm gewandert ist. Ich sagte ja: Text, Fotos und ein bißchen Grafik hier und da, wenn man was sehen muß, um es zu glauben.«
»Und ist die Grafik gut?«
Warrens Gesicht veränderte sich nicht sehr, aber seine boshaften nußbraunen Augen um so mehr. Ein kleines Lächeln erschien.
»Nicht übel.«
»Ach, komm.
Er sah ein bißchen enttäuscht aus. Ich hatte den schrecklichen Verdacht, daß er gern schmutzige Reden geführt hätte.
»Weiter!«
»Das Spiel verwendet Grafikbilder für die Nebenfiguren, für solche, die immer Teil des Spiels sind und die unterwegs auftauchen. Sie spielen aber nicht mit. Ein paar von diesen Nebenfiguren sind von Fotos abgeleitet. Verstehst du?«
»Die Spieler rufen an und wählen unter den Fotos.«
»Ja. Aber auch von diesen Figuren gibt es dann eine kleine grafische Darstellung. Es ist sehr primitive VR, weißt du. Du hast dich selbst in einer anderen Welt am Draht.«
»Virtuelle Realität?«
»Ja. ‘türlich ohne sensorische Wahrnehmung. Okay, das VR-Zubehör, die Datenhandschuhe und -helme, gibt’s schon, aber es ist nicht billig genug, um es für Spielecomputer zu verkaufen. Wenn es soweit ist, dann wird man das Gefühl haben, man ist tatsächlich da drin. Solches Zeug gibt’s schon, weißt du.«
»Ich weiß.«
Ich wollte ihm nicht erzählen, daß ich bei der internationalen Nummer eins dieser Branche einen Privatkurs zum Thema genossen hatte. Wenn ich anfinge, ihm das zu erzählen, würde ich ihm noch mehr erzählen wollen. Vorläufig hatte Warren mir eine Menge zu erzählen.
»Und wo komme ich nun ins Spiel?« wollte ich wissen.
»Kurze, vorgefertigte Sequenzen von Video-Standbildern, die zusammengeschnitten wurden, werden als kleine Preise vorgestellt. Manchmal sind sie auch Teil des Spiels.«
»Wobei die Figuren sich vermutlich die Hände schütteln.«
»Manchmal auch das, aber meistens...«
»Das sollte ein Scherz sein, Warren. Die gute Nachricht ist also die, daß ich in der Fotogalerie vorkam.«
»Nein.«
»Ich dachte, du hättest gesagt, die Leute könnten diese Mailbox anwählen und sich dann unter einer Reihe von Fotos eine Figur aussuchen?«
»Ja. Er war dabei. Du nicht. Du warst da bloß eine Nebenfigur, mit der man arbeiten muß. Du warst eine Option.«
»Und wie weit bist du gekommen?«
»Sagte ich doch. Ich habe gewonnen.«
Ich schaute weg, und Warren sagte nichts mehr. Er rollte sich herum, angelte sich die Zigarettenschachtel aus dem Durcheinander auf meinem Nachttisch, spielte damit herum und ließ sie dann aufschnappen. Er bot sie mir an, und ich nahm eine. Er griff nach meinem billigen petrolblauen Feuerzeug und ließ eine Flamme aufspringen. Er war bemüht, mir nicht in die Augen zu sehen, aber ich verfolgte ihn herausfordernd mit meinem Blick. Warren war gut genug, um bei jedem Spiel eine Möglichkeit zum Mogeln zu finden. Er würde seine Wünsche befriedigt haben. Die, die wir im wirklichen Leben hier in Bow nie erkundet hatten.
»Was ist dein Problem, Warren?«
»Versteh’ nicht.«
»Warum hast du gespielt?«
Er legte den Kopf schräg und sah mich unter seinen Brauen hinweg an, und das Lächeln auf seinen dunklen Lippen wurde breiter. »Weil es da war, Baby. Bloß weil es da war.«
Ich nahm zwei Züge und füllte das Zimmer mit neuem Rauch. Blödsinn. Warren hatte David Jones erkannt. Aus dem Spiel.
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