Die Spiele des Computer-Killers
unzerknautscht. Manchmal erinnerte er mich an einen Außerirdischen, der nach Lichtjahren des Studiums auf der Reise hierher zu dem Schluß gekommen war, daß dies eine geeignete Verkleidung für eine unauffällige Existenz in der menschlichen Gesellschaft sei. Nur die Diamantnadel, die im Licht feurig funkelte, verriet ihn. Sie zeigte die eigentümliche menschliche Eigenschaft der Eitelkeit.
»Was zu trinken?« fragte ich.
Mit einem Auge spähte ich in den Hals der viertelvollen Flasche und wies dann damit auf das hübsche Highboard in der Ecke, wo eine Flasche Gin, eine Flasche Scotch und ein Rest Brandy auf einem Tablett standen. Er rührte sich nicht. Mich irritierte seine Anwesenheit. Ich hatte mich wohlgefühlt, so allein im Haus, wie ich vor mich hingemurmelt und mich durch den Wein gearbeitet hatte, während ich aus einer Gartensendung lernte, wie man einen Obstbaum umpflanzt. Als er draußen gestanden hatte, hatte ich Angst gehabt, aber jetzt, wo er drinnen war, hatte ich keine und schlug sofort über die Stränge.
»Setz dich hin, Herrgott nochmal«, sagte ich und lehnte mich mit dem Glas in der Hand zurück. Er sagte nichts. Ich stand auf, schaltete den Fernseher wieder ein und lehnte mich mit meinem Glas auf dem Sofa zurück.
»Weißt du was?« sagte ich. »Du solltest mal zum Psychiater gehen.«
Er ließ sich Zeit und sagte dann: »Das habe ich schon getan. Du auch?«
»Nein, noch nie.«
»Das überrascht mich.«
»Ich halte mehr von Selbsthilfe«, sagte ich und goß mir den Rest aus der Flasche ins Glas; ich hob es an die Lippen und stellte es dann, ohne zu trinken, wieder hin. »Hat er dir gesagt, daß du ein Psychopath bist?« fragte ich.
Er zeigte nicht den Schatten von Gekränktsein. Ich hob den Kopf, und er senkte den Blick und schaute auf die Flasche. Dann lächelte er, still und eisig, während ich mich in meinem Übermut geradewegs in den Abgrund stürzte.
»Ein schizoider Touch, lautete ihre Analyse«, sagte er.
»Was bedeutet das?«
»Du willst wissen, was meine Psychiaterin gesagt hat?«
»Ich will wissen, was es bedeutet.«
»Es bedeutet eine Menge. Es bedeutet, daß ich egozentrisch, hypersensibel, ungesellig, kalt und unemotional bin.« Er zählte die Liste an seinen Fingern ab.
»Irgend was Neues dabei?« sagte ich.
»Wie wär’s mit dem Verlangen nach Macht und Überlegenheit?«
»Das wissen wir schon.«
»Willst du wissen, warum?«
Ich zuckte gleichmütig die Achseln und griff wieder nach meinem Glas.
»Ich sehne mich nach Macht und Überlegenheit, um mich zu schützen vor emotionaler Abhängigkeit, einem notwendigen Bestandteil jeder intimen Beziehung, die ich mir selbstverständlich unbewußt wünsche, tatsächlich aber für zu gefährlich halte, um sie in Betracht zu ziehen.«
»Ahhh. Du willst nur geliebt werden. Was ist mit deiner Frau? Gibt’s da keine Intimität?« Ich hob das Glas vor meine Augen, bevor ich es an die Lippen führte und schräg neigte. Sein Gesicht war vom Glas verzerrt wie von einer billigen Linse; es war beschlagen und verschmiert von meinem Atem und meinen Fingerabdrücken. Er sah immer noch ganz ruhig aus.
»Natürlich. Ich erzähle dir nur, was meine Psychiaterin sagt.«
»Oh. Und was ist, wenn du nicht kriegst, was du willst? Trouble, hm?«
»So ist es.«
»Hatte sie auch irgendwelchen guten Nachrichten?«
»Ich kann die Aggressionen, die ich nur schwer freisetzen kann, sublimieren — meistens.«
»In welcher Form?«
»In meiner Arbeit.«
»Na, zum Teufel, dann wollen wir bloß hoffen, daß sie dich nicht entlassen.«
Da lachte er. Es war kein Lachen, das aus dem Bauch kam oder so, sondern ein spöttisches Glucksen. Es war ermutigend, aber ich verlor meine Zuversicht wie ein von Kugeln durchlöcherter Flieger, der darum kämpft, bei Bewußtsein und am Leben zu bleiben. Ich ließ den Kopf auf Richards weiches Sofa zurücksinken und schloß für einen Moment die Augen. Ich wollte durch meine warmen, roten Lider schauen und vergessen, daß er da war. Er amüsierte sich, spreizte sich. Jetzt verlagerte er sein Gewicht, und ich öffnete rasch die Augen. Er hatte sich hingesetzt, immer noch in ungefährlicher Entfernung mir gegenüber, und strich mit seinen glatten Händen über die runde, samtene Armlehne des Sessels.
»Ich fürchte mich vor der Verwundbarkeit, die bei normaler Liebe erforderlich ist, weil ich als Kind...«
»Oh, sag mir bitte nicht, daß du von deiner Mutter abgelehnt wurdest.«
»Nein. Sie liebte mich, aber
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