Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
helfe Bruder Paulus häufig im Kräutergarten und so lerne ich eine Menge von ihm. Wir sind stolz auf unseren Garten, müsst ihr wissen, Herr. Zwar sind alle Klöster seit den Tagen des Carolus Magnus per Gesetz verpflichtet, einen Kräuter- und Heilpflanzengarten zu bestellen, doch ich denke, unser Garten ist etwas besonders. So sagt Bruder Paulus.“
Ein zweiter und dritter Schnitt folgte. Johann hörte die gekappten Barthaare unter dem Rasiermesser knistern.
„ Und Bruder Paulus muss es wissen. Seifenkraut zum Beispiel ist sowohl bei der Wäsche praktisch als auch bei Husten oder Erkältung. Oder sogar bei Verstopfung. Versteht mich nicht falsch, Herr, wir wollen Gottes Wille bei den Erkrankungen oder an seinen Strafen durch andere körperliche Plagen nichts ändern, jedoch ist ein wenig Linderung manchmal sehr wohltuend.“
Während des Gesprächs, hatte der Novize Johanns Bart im Gesicht gestutzt. Nun setzte er am Hals an und zog die Klinge mit einem geübten Strich von unten nach oben.
„ Worauf bist du noch stolz?“, fragte Johann in einer Pause zwischen zwei Rasurschnitten.
„ Auf unser scriptorium, Herr. Wie ihr merkt, habe ich einen Hang zu den Kräutern. Und in unserer Schreibstube haben wir eine Handschrift des Albertus Magnus, dem Gelehrten der sich neben vielem auch mit der Heilkunde durch Pflanzen beschäftigt hatte. Stellt euch vor, ich durfte schon einen Blick hineinwerfen.“
Johann merkte die Aufregung des Jungen, obwohl er die Begeisterung für die Welt der Pflanzen nicht ganz teilen konnte.
„ Und Abt Otto hat in seinen zehn Jahre, die er nun der Wahlabt Werdens ist, für viele Bücher gesorgt.
Unsere Kopisten sind gut beschäftigt. Ich hoffe, eines Tages auch Bücher kopieren zu dürfen. Vielleicht sogar das Buch des Albertus Magnus!“
Endlich eine Information. Zehn Jahre war Otto nun hier Vorsteher in der Abtei Werden. Und er legte Wert auf das Scriptorium.
„ Doch verzeiht meine Geschwätzigkeit, Herr. Labora in silencium, sagt auch immer Bruder Paulus.“
Der Junge Mann biss sich auf die Lippen.
„ Nein, ich lausche gerne.“, sagte Johann, aber er merkte, dass der Novize nichts mehr erzählen würde. Seine Ehrfurcht vor der Obrigkeit, die Johann als der adelige Dietrich in seinen Augen verkörperte, war zurückgekommen und versiegelte seine Lippen.
Nach der Rasur war der Novize dann auch schnell verschwunden und kam nur noch einmal zurück, um Johann frische Kleidung zu bringen. Johann stieg aus dem Zuber, trocknete sich mit dem auf dem Bett wartenden Tuch gründlich ab. Sein Blick fiel an sich hinunter und blieb auf der langen, dunkelroten Narbe an seiner rechten Flanke hängen. Er betrachtete das frisch verwachsene Fleisch der Wunde, die ihn fast das Leben gekostet hatte. Diese Narbe könnte nun sein Verhängnis werden. Der von Plettenberg hatte bestimmt nicht eine solche Wunde! Johann schlüpfte flink in die Cotte aus dunkelblauem Leinen, die auf der Liegestätte ausgebreitet lag. Er strich an sich hinunter über den Stoff und genoss das Gefühl sauberen Leinens zwischen seinen Fingern. Ein lederner Gürtel lag ebenfalls bereit und Johann schlang ihn um die Hüfte. Er fühlte sich so gut wie lange nicht mehr.
Nun brauchte er nur noch zu warten, bis sie ihn zum Gebet oder zum Mahl abholten. Johann setzte sich auf den Schemel und beschloss, die Wartezeit in seinen Erinnerungen zu verweilen. Er schloss die Augen und kramte in seinem Kopf nach Wissen über die Plettenberger, über ihre Burg, ihr Dorf und die Landschaft. Alles konnte nun helfen.
Der Abt und seine Brüder saßen im Speisesaal der Abtei beieinander. Johann hatten sie zum gemeinsamen Mahl zu sich gebeten. Gemeinsam hatten sie mit einem Dankesgebet das Mahl eröffnet. Nach einem Moment der Andacht erhob sich zur Lectio klar und deutlich die Stimme Bruder Gernots.
„ Ein Psalm Davids, vorzusingen. Gott, mein Ruhm, schweige nicht !“, las er vor, hielt kurz inne und fuhr fort.
Die Lectio, das Vorlesen aus den Schriften, war in ihrem Ursprung gedacht, den kulinarischen Genuß des Essens durch den Genuß von himmlischen Worten noch zu unterstreichen. Auch sollte das laute Sprechen eines Mannes dazu dienen, die anderen Anwesenden beim Essen schweigsam zu halten. Sie sollten hören und nicht sprechen. Doch sowohl bei den Adeligen, als auch bei den Kirchenmännern hatte diese Tradition in den letzten Jahrhunderten eine Wandlung vollzogen. Während bei den einen nun zu den
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