Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
edlen Geschlechtern zu erhöhen. Verstehe mich nicht falsch, mir sind alle Schäfchen in meiner Herde, ob arm oder reich, gleich lieb, aber ich frage dich, wenn es zum Beispiel um das scriptorium geht, hilft mir die Spende eines Adeligen, der hier seinen jungen Spross in Gottes Obhut gibt, mehr als die guten Worte eines armen Mannes. Und wenn sich auch die Werdener erst einmal eine Mauer bauen, kann es nicht mehr lange dauern, bis sie merken, dass Steine mehr gegen Angriffe schützen als die Gebete eines Mönches. Was wird dann aus uns hier?“; Otto stöhnte. Er sah Dietrich durchdringend an. „Ich fürchte, der Niedergang unserer Welt hat bereits begonnen. Nichts ist mehr so wie es bleiben sollte.“
Johann konnte dem Abt kaum folgen. Er verstand nicht viel von der Politik, war er doch nur ihr Botschafter, nicht ihr Macher. Der Abt tat einen tiefen Zug aus seinem Krug.
„ Aber Gottes Wege sind unergründlich, so sagt man. Und in der Tat, wäre mein Glauben auch nur annähernd so erschütterbar wie der des Jonas, so stellte ich meinen Herrn in Frage. Denn es ist doch so: Der Sieg des Kölner Mobs, derer von Berg und all derer, die mit ihnen zogen über unseren Erzbischof hat die Waagschale doch sehr zu Ungunsten unserer geliebten Mutter Kirche aus dem Lot gebracht. Die Weltlichkeit hat hier gesiegt. Und wie es scheint, ist die Schwächung des Kölner Erzstuhls nach dem Tag zu Worringen nur der Anfang von mehr. Was kann Gott nur vorhaben, fragte ich mich, als ich die Nachricht vom Ausgang der Schlacht erhalten hatte. Warum hat er denen von Berg und den Brabantern den Sieg geschenkt?“, jammerte der Abt mit wirklich empfundenem Unverständnis.
Johann dachte an den Tag im Juni zurück.
Nein, nicht Gott hat seinem Kirchenmann den Sieg genommen, sondern der Bischof sich schlicht selbst.
Erst hatte es gar nicht gut gestanden, um die Allianz gegen den Bischof, aber ein Fehler des selbigen hatte das Kriegsglück gewendet. Johann hatte es zu einem der Sieger gemacht. Und Dietrich zu einem der Verlierer!
„ Oder hatte hier der Antichrist seine Hände im Spiel?“, fuhr der Abt fort und beschwor in Johanns Kopf die Vision eines gehörnten, geißböckigen Dämons mit Pferdefüßen. „Aber mein lieber Dietrich, es kommt doch immer wieder auf das eine zurück: Unser gütiger Gott, und das glaube ich fest, ist doch mächtiger als der Antichrist. Wieso hat er seine Kirche nicht über seine Feinde triumphieren lassen?“
Johann dachte einen Moment nach. Warum durfte sich der Mensch eigentlich kein Bildnis von seinem Gott machen, vom personifizierten Bösen jedoch schon? Lag nicht hier schon in Ungleichgewicht im Glauben? Dann kamen die Bilder des Junitages in Worringen wieder in ihm hoch.
„ Nun, Oheim, ich war an jenem Tag dort.“, sagte Johann. Er fühlte, dass der alte Mann etwas hören wollte. Er nahm noch einen kräftigen Schluck von dem würzigen Bräu und lehnte sich nach vorne zum Abt. Johann merkte, dass ihm der Trank langsam zu Kopf stieg. Er würde vorsichtig sein müssen, um nichts Falsches zu sagen.
„ Es war die Hölle auf Erden. Ein solches Gemetzel hätte dem jüngsten Tag zu Ehren gereicht. Doch ich glaube, Gott der Herr hat uns an diesem Tag nur geprüft. Nur die, die wahrlich fest im Glauben sind, werden ihm zur Seite stehen, wenn die dritte Posaune erschallt.
Und wie könnte der Herr uns besser prüfen, als auf diesem Wege, wenn er uns die menschliche, abgrundtiefe Finsternis auf Erden bringt?“
Der Abt strahlte. Johann schien seinen Nerv getroffen zu haben. Johann freute sich. Mit Worten konnte er gut umgehen.
„ Ja, mein Neffe, so muss es sein.“, er nickte Johann zu und schnippte mit dem Finger. „Das schlichte Gemüt, hat immer noch die besten Antworten.“
Nun nahm auch der Abt zwei große Schlucke aus seinem Krug. Das monotone Murmeln des Gebets im Hintergrund hatte für einen Moment wieder ausgesetzt, der Lector blätterte eine Seite um und startete erneut, als sich der Abt zu Johann beugte und ihm auf die Schulter tätschelte. Johann lächelte. Er fand, er spielte seine Rolle gut, und wenn nun nichts außergewöhnliches mehr passierte, dann würde er noch in dieser Nacht wieder auf dem Heimweg sein. Nur diesmal mit einem vollen Bauch und frischen Kleidern. Er freute sich. Noch zwei Tage, und er wäre endlich wieder zuhause.
„ Mein lieber Dietrich, nach so vielen schweren Gedanken, doch nun mal zu etwas leichterer Kost für unsere Häupter. Ihr verbergt es wohl, aber ich weiß,
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