Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
vor sein inneres Auge zu rufen, versagt. Es blieb ihm, Johann, wohl nur die Mischung aus Ehrfurcht und echter Furcht vor dem Unbekannten.
„ Da ist sie! Ein Prachtstück!“
Ottos Stimme schien aus der Ferne zu kommen und rief Johann aus seinen Gedanken zurück. Es sah auf. Vor ihm erstreckte sich eine freie Fläche, deren Kantenlänge, so schätzte er, wohl an die hundert Klafter betragen mochte. Am hinteren Ende konnte Johann eine Hand voll Häuser erkennen. Dunkler Rauch stieg auf, darunter atmete in einem offenen Verschlag die Glut einer Schmiedeesse ein und aus und verkündete, dass hier Metall verarbeitet wurde. Johann konnte das Schlagen von Eisen auf Eisen hören. Johann sah eine Herde Schafe, die aus der Mitte der Häuser quer über die Rodung zu ihnen hinüber getrieben wurde. Gut ein dutzend Tiere, so überschlug Johann bei einem ersten Blick. Hunde bellten. Johann erhob die Augen und keine weiteren dreißig Klafter hinter den Häusern ragten die Mauern der Isenburg auf. Die Kronen der steinernen, grauen Mauern waren auf der ihnen zugewandten Seite der Festung komplett mit Zinnen versehen. Es mussten Wehrgänge hinter den Deckungen liegen. Johann erkannte drei Wächter, die mehr dem Treiben der Menschen zwischen den Häusern zugewendet waren, als sich den Neuankömmlingen zu widmen. Hinter der Mauer, wie eine gigantische Treppe, erhob sich zu seiner Linken der Palas der Burg und wie ein wohl zehn Manneshöhen langer Finger, der zu Gott zeigte, der majestätische Bergfried, jene letzte steinerne Zuflucht, die im Angriffsfall das Leben der Bewohner der Burg verlängern oder gar retten mochte. Dort musste die Hauptburg liegen. Ein weiterer Turm streckte sich zu seiner Rechten gen Himmel. Direkt vor ihm, am Ende des Reitweges, lag das Haupttor, einer kompletten Wehranlage für sich. Die beiden Holzflügel der Pforte standen weit nach innen gekehrt auf.
Wie mächtig mochte erst die Pforte des Himmels sein?
Johann zügelte sein Pferd. Er sah staunend zu Otto hinüber.
„ Ja, mein Sohn, ich habe nicht übertrieben.“, sagte er und grinste wissend. Johann war überwältigt. Er hatte schon viele Burgen gesehen, doch diese hatte einen beinahe königlichen Zauber. Er lies den Blick schweifen. Die von hier aus sichtbare Außenanlage der Burg erstreckte sich wohl über sechzig Klafter. Wie dick mochte die Ringmauer sein? Johann sah die Schießscharten in der Befestigung, dort würde er es sehen können. Auf einmal wurde Johann bei dem Gedanken an die Mauern flau im Magen. Wieder fiel ihm ein, dass er nicht der war, für den ihn alle hielten. Diese Mauern konnten ebenso zu seinem Gefängnis werden. So wie sie Feinde abhielten einzudringen, könnten sie ihn daran hindern zu entkommen.
Wenn alles wie geplant läuft, bin ich vor dem Morgen verschwunden!
Johann trieb sein Reittier wieder an. Beim näher kommen, nahmen die Umrisse der Burg feinere Konturen an. Anders als die beiden dachlosen Türme, war der Palas, dessen Ortgang Johann erkennen konnte, mit Holzschindeln bedeckt. Zur Südostseite war das Dach des Haupthauses durch einen steilen Grat gewalmt. Wieder hatten die Tiere ein paar Schritte zur Burg zurückgelegt. Johann sah nun auch, dass die Burg zusätzlich durch einen Graben vor dem direkten Angriff auf ihre Mauern geschützt war. Der Graben verlief entlang der Wehrmauer und schien auf dieser Seite die Burg komplett zu umspannen. Über den Graben führte eine hölzerne Zugbrücke, die zwei Reitern nebeneinander Platz bot. Über die Brücke kam ein Mann auf sie zu.
„ Das ist Walram, die rechte Hand des Vogtes.“, flüsterte Otto, der inzwischen wieder neben Johann ritt und sich bei seinen Worten konspirativ zu Johann beugte. „Ihr werdet sehen, Johann, Walram ist treu seinem jetzigen Herrn ergeben, aber seine Augen sind kalt. So erwartet keine Herzensgüte von ihm. Aber fordert seine Treue!“
Sie waren nun wenige Schritte auf den Mann zugekommen, der seinerseits die Hand hob und sie nun geschickt in das Geschirr von Ottos Reittier gleiten ließ. Das Pferd blieb stehen. Walram lächelte den Abt mit schmalen Lippen an.
„ Ich grüße euch, auch im Namen meines Herrn, des Vogtes Gottfried zur Isenburg. Seid uns willkommen.“
„ Danke, mein Sohn. Wir sind froh, dass die kurze, aber kühle Reise schon ein Ende gefunden hat. Ich möchte euch meinen Neffen, Dietrich von Plettenberg vorstellen. Euer zukünftiger Herr und Burgvogt im Namen des Landesfürsten Eberhards von der Mark.“
Erst jetzt
Weitere Kostenlose Bücher