Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
würdigte Walram Johann eines Blickes. Seine Augen waren in der Tat kalt. Stechend. Johann konnte beinahe Feindschaft sehen. Doch nur für einen kurzen Moment, dann schienen sie durch ihn hindurch zu sehen.
„ Ich grüße euch, mein neuer Herr. Ich bin Walram und stehe euch zu Diensten. Darf ich euch in eueren neuen Sitz führen?“, sagte er und wartete aber keine Antwort ab. Er hielt immer noch das Tier Ottos am Zügel und zog nun sanft daran. Das Tier folgte seinem Zug. Neben Otto ritt Johann über die Brücke. Er riskierte einen Blick in den drei Manneshöhen tiefen Graben. Kurz schwindelte es ihm wegen der Tiefe, doch dann durchschritten sie schon das Haupttor. Und wieder schwindelte es Johann, als er den Kopf hob und nun in die andere Richtung gen Himmel die Höhe des Bergfrieds erkannte. Diesen Turm hatten Menschen aufgebaut, aber so schien es, würden Menschen wohl nie wieder abbauen können. Wie ein Felssporn ragte das Grau des Turmes in das Blau des Himmels. Johann sah sich um. Mit dem Gang durch das Tor waren sie in der Vorburg angekommen. Hier standen noch weitere Handwerkerkotten. Eine weitere Schmiede, eine Schreinerei, eine Töpferei, ein Schweinekoben, ein Vieh- und Pferdestall. Unter den wandlosen Unterständen sah Johann außerdem einen steinernen Ofen und eine kleine Getreidemühle. Aus dem mannshohen Schlot des Backofens quoll ein feiner Rauchfaden. Für einen Moment erhaschte Johann den Duft frisch gebackenen Brotes.
Walram führte sie über den Lehmhof zu einer weiteren Zugbrücke, die sie zur Hauptburg hinüberführte. Johann staunte nicht schlecht. Von außen war es nicht zu sehen, aber hier mitten in der Burg gab es einen weiteren Graben, der mindestens zwei Klafter tief sein musste. Direkt hinter der Zugbrücke machte der Weg einen rechtwinkligen Knick nach links. Im Zwinger lag das Tor zur Hauptburg. Im Ernstfall sollte dieses Tor leicht verteidigen sein. Kaum zwei Reiter hatten im engen Durchgang nebeneinander Platz. Auch hier schritten sie hindurch und Johann befand sich auf dem teilweise gepflasterten Hof der Hauptburg. Über ihm wölbte sich das Blau des Himmels, dessen Horizont nun zu allen Seiten, durch den Bergfried zu Johanns Rechten, den Palas direkt vor ihm und die hohen Nebengebäude der Burg abgeschnitten wurde. Johann hatte sein Tier gezügelt und war bereit abzusteigen. Dann hielt er inne. Für einen Moment schweiften seine Gedanken wieder ab.
Wie schön wäre es, wenn ich wirklich der Plettenberger wäre und dies nun mein neues Heim sein könnte!
Dann glitt er aus dem Sattel und seine Füße berührten zum ersten Mal den Boden der Isenburg.
Die Luft in der engen Kammer war stickig. Die Fenster waren zum Schutz vor der Kälte des beginnenden Winters mit Strohgarben verschlossen worden. Das einzige Licht in der Kammer spendeten die zwei Kerzen am Fußende der Liegestätte, die sich mit einer Holztruhe und einem Schemel in dem Raum befand. Zwei Personen verharrten schweigsam dicht nebeneinander. Die Ruhe vor dem Sturm war beinahe greifbar. Die junge Frau kniete schon eine ganze Weile auf dem unebenen Holzboden ihrer Kammer. Langsam begannen ihre Beine taub zu werden und zu schmerzen. Trotzdem verharrte sie und hielt den Blick gesenkt. Sie konzentrierte sich auf das unangenehme Kribbeln in ihren Beinen.
Schmerzen läutern dich. Vor Gott. Für deine Sünden!
„ Ich kann es nicht verstehen.“, sagte sie.
„ Manche Dinge muss der Mensch nicht verstehen. Des Menschen Schicksal ist in Gottes Hand. Der Mensch denkt, Gott lenkt, mein Kind. Versuche nicht die Wege des Herrn zu ergründen.“
Ida sah auf und sah dem Mann, der vor ihr auf einem Schemel saß, ins Gesicht. Bruder Conradus war ein Mensch voller Güte und Liebe, besonders ihr gegenüber. Sein hageres Gesicht wurde von einem grauen, kurzen Haar umkranzt. Sie kannte ihn schon, seitdem sie denken konnte. Bruder Conradus war ein Vater für sie. Der Vater, den sie nie hatte. Und er war ihr Beichtvater. Aber auch ihr Lehrer. Und als solcher hatte er sie gelehrt, zu lesen und ihren Kopf zu gebrauchen.
Der Mensch denkt.
So glaubte sie auch nun in seinem furchigen, strengen Gesicht Verständnis für sie zu sehen.
„ Ich will es nicht verstehen!“, sagt sie und senkte wieder den Blick.
„ Schweig, Kind! Sein Wille geschehe. Dein Wille geschehe hier nicht!“, zischte sie der Mönch nun an. „Glaubst Du, dass es dir zusteht, auf dieser Welt deinen Willen durchzusetzen?“
„ Nein.“, gab Ida kleinlaut
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