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Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)

Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)

Titel: Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Huelsmann
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Die Nächte nicht wärmer. Johanns Existenz hatte keine Bedeutung, solange er hier in dieser feuchten Grube zwischen klafterdicken Steinen und unter armdicken Fußbodenbohlen saß. Johann fühlte sich wie ein lebender Toter.
    Ich bin nicht tot. Noch nicht! Ich gebe nicht auf.
    Aufgeben? Johann dachte nach. Was war es, das er wollte? Aus diesem Loch wollte er heraus. Nach Hause wollte er! Leben wollte er. Atmen. Laufen. Sprechen. Mensch sein. Johann wiederholte seine Gedanken deutlich in seinem Kopf.
    Leben. Atmen. Laufen. Sprechen. Mensch sein.
    Was machte den Menschen zum Menschen?
    Der Mensch denkt.
    Johann fiel auch der zweite Teil dieses Sprichwortes ein.
    Der Mensch denkt. Und Gott lenkt. Wenn Gott uns lenkt, sind wir dann seine Spielfiguren? Ist das alles nur sein göttliches Spiel, das wir nicht durchschauen, weil uns der Blick von oben fehlt.
    Johann spitzte die Lippen, dann kräuselte er die Stirn. Das waren böse Gedanken. Ketzerische, gotteslästerliche Gedanken. Aber wer sollte ihn verurteilen? Hier war niemand. Niemand hörte seine Gedanken. Doch, Gott! Gott mochte seinen Gedanken wie Worte hören. Nun, sollte er! Johann wurde zornig. Er hatte diese Welt nie hinterfragt. Es ging ihm zu gut. Sein Weg, den er seit seiner Kindheit auf der Raffenburg beschritten hatte, war gerade. Sehr gerade. Gott meinte es gut mit ihm. Nun meinte es Gott nicht mehr gut mit ihm. Nun saß er hier fest! Oder war es Teil seines göttliches Planes, seines Spieles, seiner Schöpfung, dass Johann hier in diesem Drecksloch festsaß. Was für ein Spiel! Johann wurde noch wütender und er begann noch mehr zu hinterfragen. Er stellte sich Gott als einen Dichter vor, der sein Zeilenwerk, seine Schöpfung beendet hatte und nun alle Zuhörer zwang, seine Zeilen zu bestaunen. Gott war ein adeliger Schreiber, der seine Untertanen zwang, ihn zu lobpreisen. Ihm zu huldigen! Und er ließ ihnen keine Wahl. So sah Johann die Welt auf einmal mit anderen Augen.
    Da muss ich erst im Dunkeln sitzen, damit ich klar sehen kann.
    Er ärgerte sich. Am liebsten hätte er laut gesprochen. Aber er führte noch keine Selbstgespräche. Er wollte bei Verstand bleiben. Ein Mensch dachte mit Verstand , ein Irrer redete wirr und laut vor sich hin.
    Keine Selbstgespräche! Warum auch? Wenn Gott meine Gedanken hört, dann will ich lauter denken. Lauter als die Gebete und Gedanken der anderen!   Gott, auch wenn du mich zwingst, dir zu huldigen, so bekommst du nicht meine Liebe.
    Johann dachte an die zehn Gebote. Er hatte es nie bemerkt, aber nun lachte es ihm beinahe wie auf Papier geschrieben entgegen. Es war so offensichtlich. Er sagte sich die Gebote im Stillen auf. Das erste Gebot. Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst nicht andere Götter neben mir haben! Johann fühlte Hohn in diesen Worten.
    Bist du eifersüchtig auf die anderen Götter? Es gibt sie also, die anderen Götter. Bist du dir nicht sicher, der beste Gott für uns zu sein? Wer bist du unter deines gleichen? Narr oder König? Oder einfach nur der Spieler?
    Dann überlegte er. Das zweite Gebot. Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht unnützlich führen; denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht!
    Armselig. Glaub ich nicht an dich, dann strafst du mich? Spreche ich falsch von dir, passt mein Bild von dir nicht zu deinem Selbstbild, dann strafst du mich? Was für ein Vater bist du, der sein Kind hindert, das Zweifeln zu lernen? Der sein Kind straft, weil es Kind ist?
    Das dritte Gebot. Ich bin der Herr, dein Gott! Johann führte das Gebot nicht zu Ende.
    Wieder schüttelte er den Kopf. Dann wanderten seine Gedanken weiter zum vierten und schließlich zum fünften Gebot. Du sollst nicht töten! Jetzt musste Johann beinahe lachen.
    Siehst du, Gott, in Gedanken lache ich dich aus. Du gütiger Gott, der du dich selbst so angstvoll liebst, dich so unsicher in deiner eigenen, zerbrechlichen Schöpfung bewegst, dass es dir wichtiger ist, gepriesen zu werden, als dass du verbietest, dass sich deine Schöpfungen gegenseitig umbringen. Gott, was willst du von mir? Meine Liebe? Meine Lobpreisung? Meine Gebete?
    Welche Wahl habe ich? Zerschmetterst du mich sonst mit deiner göttlichen Gewalt. Beendest du sonst mein Leben, das du mir gegeben hast? Do ut des! Ich gebe, damit du gibst? Ich lobe, damit ich lebe? Ich liebe, damit du mich liebst? Nein. Nein. Nein.
    Johann resignierte für einen Moment. Was hatte es für einen Sinn? Welchen Gedanken sollte er denken,

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